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Newspaper article of the month: Melanie Bergermann from the German Wirtschaftswoche blames especially foreign banks in Germany to destroy responsible credit extension.
Title: “Consumer Credit: Profiting from Despair”.

In this article Wirtschaftswoche describes how banks in Germany have started a campaign where the disclosed interest rates have nothing to do with what consumers really have to pay, how banks sell credit which already at the beginning creates overindebted clients and how insurance premiums combined with a credit contract in fact is hidden usurious interest which flows back to the bank via commission paid by the insurer. A case study illustrates the problem in an article that caused quite a lot of public awareness.

The EU Commission who with their consumer credit regulation would accelerate this process on the continent and does not deal with not even one of these problems should carefully read the text.

„Geschäft mit der Not: Verbraucherkredite.“ Melanie Bergermann von der Zeitung Wirtschaftswoche beschreibt die drei Grundübel des Verbraucherkreditmarktes: Wucherpreise trotz Lockvogelangeboten für Risikokunden, Überschuldung schon bei Kreditabschluss, Ende des Preiswettbewerbs und Restschuldversicherungsprämien als versteckte Wucherzinsen der Banken.
„Mit Hochzinskrediten für Arme machen ausländische Banken in Deutschland den großen Reibach. Die heimischen Institute ziehen nach.

Horst Krüger ist 52 Jahre alt, Frührentner und vom Sozialamt in Kassel als schwerbehindert eingestuft. Von seinen 1300 Euro Rente ist früher am Monatsende meist nicht viel übrig geblieben, aber es hat gereicht. Bis er einen Autounfall baute. Aus Angst vor einem Gerichtsprozess entschied er sich, den Schaden privat zu begleichen. Insgesamt 11.200 Euro, über die er einen Kredit aufnahm.
Mit 189 Euro monatlich stotterte der Hesse die Summe ab. Auch das bekam er noch hin. Dann schossen einige hohe Rechnungen dazwischen, hin und wieder eine teure Anschaffung. Auf Krügers Girokonto schwoll das Soll bedrohlich an, obendrauf noch der hohe Dispozins. Umschuldung schien Krüger die letzte Rettung. Ein weiterer Kredit über 10.000 Euro musste her. Dass einem Menschen wie ihm eine seriöse Bank so viel Geld noch leihen würde – daran glaubte Krüger nicht ernsthaft. Was Krüger nicht ahnte: Er ist ein Traumkunde.

Sie haben wenig Geld und keine Sicherheiten? Umso besser. Die bonitätsabhängigen Zinssätze, derer sich viele Banken mittlerweile bedienen, machen es möglich. Je schlechter es um die Finanzen eines Kunden bestellt ist, desto höher das Ausfallrisiko. Deshalb verlangt die Bank von ihm einen höheren Zinssatz als von liquiden Kunden – regelmäßig mehr als das Doppelte. Viele deutsche Traditionsbanken wenden diese individuelle Zinsberechnung nur zaghaft an und schließen so – aus Angst um ihr Image als verantwortungsvolle Institute – Geringverdiener von Krediten aus. Ausländische Banken wie der Marktführer Citibank, aber auch sogenannte Konsumentenkreditspezialisten wie Noris- oder GE Money Bank haben die Marktlücke erkannt und machen den großen Reibach mit den Armen.

Sie etablieren in Deutschland eine Praxis des Geldverleihs, die bisher als Schmuddelgeschäft verpönt war. Doch dem Ruf als Abzocker der sozial Schwachen zum Trotz machen die auf Verbraucherkredite spezialisierten Institute auch hier glänzende Gewinne. Und das, obwohl immer mehr Menschen Privatinsolvenz anmelden. Denn gegen Kreditausfälle sichern sich die Banken meist ab – und treiben so die Kosten für den Kredit weiter hoch.
Dieses Geschäft ist anderswo schon seit Jahren Alltag. Großbritannien ist nach einer aktuellen Studie der Londoner Beratungsgesellschaft Datamonitor mit einer Schuldensumme von 281 Milliarden Euro der größte Konsumentenkreditmarkt in Westeuropa. Ein Drittel des europäischen Neugeschäfts fiel zuletzt auf der Insel an. In den USA floriert der Verkauf von Ratenkrediten ebenfalls seit Langem. Weit stärker als in vielen europäischen Ländern werden private Investitionen dort durch Kredite finanziert, und die Banken sind bei der Vergabe großzügig. Das setzt sich nun auch in Deutschland durch. „Institute wie die GE Money Bank oder die Citibank tragen ihre internationalen Kriterien in den deutschen Markt“, sagt Oliver Mihm, Chef der Unternehmensberatung Investors Marketing.

Schuldner Krüger rechnete sich nur bei seiner Hausbank, die ihm auch schon den ersten Easycredit der Norisbank vermittelt hatte, eine Restchance auf einen neuen 10.000-Euro-Kredit aus. Schließlich war er dort schon seit einer Ewigkeit Kunde. Und tatsächlich: Den Kredit auf 21.200 Euro aufzustocken sei kein Problem, sagte der nette junge Bankangestellte im Anzug. 414 Euro müsse er über acht Jahre monatlich abzahlen. Ob er sich das denn überhaupt leisten könne, fragte Krüger. „Kein Problem. Sie haben monatlich 500 Euro über“, antwortete der freundliche Bankberater. Krüger hatte in der Tat 500 Euro über. Aber davon gehen nun noch 414 Euro für den Ratenkredit ab. Bleiben noch 86 Euro zum Leben.

Sicher, Horst Krüger hätte selbst wissen müssen, was er sich leisten kann und was nicht. Doch er war in Not. Und der Berater hätte die Misere erkennen können. Von 1300 Euro Monatsnettogehalt dürfen höchstens 220,40 Euro gepfändet werden, so schreibt es die Zivilprozessordnung vor. Mehr hält der Gesetzgeber für unzumutbar. Krügers Rate ist fast doppelt so hoch.

So wie ihm geht es vielen Kunden moderner Kreditbanken. Ein Test der WirtschaftsWoche ergab, dass Citibank, GE Money und die Norisbank am großzügigsten Kredite vergeben. Die Testperson bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von 1200 Euro; davon gehen unter anderem 500 Euro für Miete und die laufenden Kosten für ein Auto ab. GE Money genehmigte dennoch sofort einen Kredit über 10000 Euro für eine Urlaubsreise. Die Summe sollte über fünf Jahre mit Raten zu 240 Euro monatlich abgezahlt werden. Auch eine zweite Testperson mit ähnlichem Hintergrund, aber befristetem Arbeitsverhältnis, erhielt den Kredit. Wie GE Money berechnet, was ein Kreditnehmer sich leisten kann und was nicht – darüber gibt die Bank keine Auskunft. „Es ist nicht in unserem Interesse jemandem Geld zu leihen, der es später nicht zurückzahlen kann“, sagt Sean Morrissey, Chef der GE Money Bank in Hannover, bündig.

Andere Banken setzen durchschnittlich bei einem Single 450 Euro monatlich für Lebenshaltungskosten an, weitere 125 Euro für den Unterhalt eines Autos. Demnach hätte die Testperson 125 Euro als frei verfügbares Einkommen. Die Kreditrate von GE Money ist fast doppelt so hoch und liegt zudem knapp 100 Euro über der Pfändungsgrenze. Die Citibank sowie die Deutsche-Bank-Tochter Norisbank gewährten den Kredit ebenfalls. Auch hier konnte die Summe über 60 Monate abgezahlt werden, auch hier lagen die Raten über der Pfändungsgrenze.

Die Kreditinstitute verdienen gut am Konsumentenkreditgeschäft. Innerhalb von zwei Jahren konnte die Norisbank ihr Neugeschäft, getrieben vom Easycredit, auf 1,9 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Der Gewinn, den die Bank durch die Zinszahlungen ihrer Kunden abzüglich der Risikorückstellungen macht, liegt bei 191 Millionen Euro. Marktführer Citibank kam bei einem Ratenkreditvolumen von 8,4 Milliarden Euro auf einen Zinsüberschuss von 1,2 Milliarden Euro.

Deutsche Großbanken und Sparkassen sträuben sich dennoch, ins Geschäft mit Hochzinskrediten für Geringverdiener groß einzusteigen. „Sie scheuen dieses Publikum, weil sie ihre Filialen für andere reservieren wollen“, sagt Udo Reifner, Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen in Hamburg. Hierzulande gebe es „mittlerweile eine Art Konsumentenkreditgeschäft, das wir nicht billigen und nicht mitmachen“, sagt Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller dazu.

Eine Abstinenz mit Folgen. Das Ratenkreditvolumen legte in den vergangenen fünf Jahren um 20 Milliarden Euro auf 131 Milliarden Euro zu, doch die heimischen Institute bekamen davon nicht viel ab, ihr Volumen stagnierte. Die großen Geschäftsbanken bringen heute gerade mal vier Milliarden Euro auf die Waage, alle Sparkassen zusammen kommen auf Ratenkredite über 35,5 Milliarden Euro – fast schon eingeholt von der ausländischen Konkurrenz, die ihr Kreditvolumen in den vergangenen fünf Jahren auf 33 Milliarden Euro fast verdoppelt hat und sich mit ihren Filialen ungehindert in deutschen Städten breitmachen konnte.

Die deutschen Banken begründen ihre Zurückhaltung mit dem hohen Ausfallrisiko und Imageproblemen. Jede Bank müsse sich fragen, „welche Geschäfte sie langfristig und unter Risiko- und Reputationsaspekten betreiben will“, sagt Müller. Doch die Front bröckelt. Neben der Deutschen Bank, die im August schließlich den Zuschlag erhielt, rangelten auch Commerzbank und HypoVereinsbank um die zum Verkauf stehende Norisbank. Dadurch wollten sie sich einen Zugang zum Konsumentenkreditgeschäft verschaffen. Immerhin 420 Millionen Euro waren der Deutschen Bank die Filialen der Norisbank schließlich wert.

Was macht das Geschäft mit den Armen so lukrativ? Es sind die bonitätsabhängigen Zinssätze. GE Money und Marktneuling Fortis werben mit 4,9 Prozent, Norisbank mit 4,6 Prozent und Citibank gar mit 3,49 Prozent. Doch kaum ein Kunde bekommt einen Kredit zu diesen Konditionen. Es sei üblich geworden, „dass die von den Verbrauchern tatsächlich erhaltenen Zinssätze und die in der Werbung angepriesenen nichts mehr miteinander zu tun haben“, sagt Reifner.

Denn die Zinssätze, die Banken in ihren Schaufenstern präsentieren, sind nur die Mindestsätze. Dass der Satz je nach Bonität, Kreditsumme und Laufzeit auch bei 15,99 Prozent liegen kann, erfährt der Kunde erst, wenn er schon in der Filiale sitzt, eine Schufa-Auskunft eingeholt wurde und der unterschriftsreife Kreditantrag vor ihm liegt. „Sie müssen alles beibringen für den Abschluss, bevor die Bank den Zinssatz nennt“, sagt Reifner. Angebote miteinander zu vergleichen wird dadurch erschwert. Um den Zinssatz für einen Kredit zu erfahren, muss ein Antrag gestellt werden. Das wiederum meldet die Bank der Schufa, wodurch das Scoring des Kunden, also seine Bonitätsbewertung sinkt. Und das hat Einfluss auf die Zinssatzhöhe, die die Banken festlegen. „Es gibt also gar keinen Markt mehr für Konsumentenkredite“, sagt Reifner.
Welchen Zinssatz ein Kunde bekommt, entscheidet ein Computer mittels statistischer Merkmale. Anhand von Kriterien wie Berufsgruppe, Alter, Wohnort, finanziellen Verpflichtungen wird das Ausfallrisiko bestimmt, aus dem sich später der Zinssatz ergibt. Das kann auch abstruse Folgen haben. Zwei Testpersonen der WirtschaftsWoche, die sich nur im Parameter Wohnort unterschieden, erhielten beim Anbieter Fortis zwar beide einen Kredit. Doch die Person mit Wohnsitz in einem gutbürgerlichen Viertel Dresdens bekam schlechtere Konditionen, als die Testperson aus einer Ruhrgebietsstadt mit hoher Arbeitslosigkeit.

Das Scoring-Modell ist ein Import aus den USA. Vor knapp 50 Jahren entwickelte die Fair Isaac Corporation das Kredit-Scoring. Die heutigen Verfahren der drei marktbeherrschenden amerikanischen Auskunfteien Equifax, Experian und Trans Union Corporation beruhen darauf. Zu den Kriterien des Scorings gehören unter anderem Zahlungsmoral, Schuldenstand und Dauer der Bankverbindung.
Auch die traditionellen Privatkunden-Banken orientieren sich bei den Kreditzinsen mittlerweile an der Bonität des Kunden, was sie allerdings nicht an die große Glocke hängen. Die Dresdner Bank wirbt auf ihrer Homepage mit dem „Flexikredit“. Der Zinssatz richtet sich nach Laufzeit und Kreditsumme heißt es dort. Beim Besuch einer Filiale zeigt sich aber, dass das nicht die einzigen Kriterien sind, der Satz orientiert sich auch an der Bonität des Kunden. Je nach Kreditzweck und Laufzeit könne sie für einen Unterschied zwischen ein und drei Prozentpunkten sorgen, sagt der Berater. Selbst die Sparkassen, die sich gern als „Bank der kleinen Leute“ verstehen, wenden bonitätsabhängige Zinssätze an, 75 Prozent der Sparkassen machen bereits mit.
Dennoch: Die deutschen Traditionsbanken sind weitaus konservativer bei der Kreditvergabe als viele Spezialisten in dem Segment. Als Schuldner Krüger das Geld für die Raten bei der Norisbank nicht mehr aufbringen konnte und auch sein Girokonto wieder ein Minus aufwies, wurde er bei anderen Banken vorstellig, in der Hoffnung, den alten Kredit durch einen neuen zu günstigeren Konditionen ablösen zu können. Doch die winkten ab. Die Postbank argumentierte, dass sie die Laufzeit nicht so weit strecken könne, dass die Raten mit Krügers freiem Einkommen übereinkomme. Selbst die geringstmögliche Rate, die sie ihm anbieten könne, liege noch oberhalb der Pfändungsgrenze. Seine Schulden zu übernehmen sei ihr deshalb nicht möglich. Ähnliche Erfahrungen machten auch Testkunden der WirtschaftsWoche, denen Kredite über 10.000 Euro bei der Postbank, der Commerzbank und der Sparkasse Köln-Bonn verwehrt wurden.
Das Geschäft mit Konsumentenkrediten ist tatsächlich riskant. Knapp ein Viertel allein der armen Haushalte in Deutschland, also derjenigen, die über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens verfügen, sind verschuldet und müssen durchschnittlich mehr als 20 Prozent des Einkommens für Tilgungszahlungen aufbringen. Bei Horst Krüger sind es sogar über 30 Prozent. Die häufige Konsequenz ist Zahlungsunfähigkeit.

Dann wird aus den privaten Geldsorgen ein Problem für die Bank. 30 Milliarden Euro aus offenen Rechnungen gelten in Deutschland als nicht mehr realisierbar. 43.761 Menschen stellten allein im ersten Halbjahr 2006 Antrag auf Privatinsolvenz. Sechs Jahre lang müssen sie dann jeden Cent, der über der Pfändungsfreigrenze liegt, an einen Treuhänder abführen, der daraus die Gläubiger bedient. Was am Ende von den Schulden noch übrig ist, wird erlassen. An weiteres Geld kommt dann kein Gläubiger mehr. Auch
nicht die Kreditinstitute.

Doch das Geschäft mit Konsumentenkrediten wird dadurch nicht weniger profitabel. „Das Kreditvolumen steigt, und die Anzahl der Ausfälle geht nach unten“, sagt Sean Morrissey, Chef der GE Money Bank in Hannover, die in erster Linie kleine Beträge bis 10.000 Euro verleiht. Denn die Banken preisen die Kreditausfälle nicht nur in die bonitätsabhängigen Zinssätze ein, sondern sichern sie auch durch Versicherungen ab. Diese Kreditversicherungen übernehmen die Raten nach dem Tod des Versicherungsnehmers, bei Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit.

„Das Problem ist, dass die Versicherungen aus Kundensicht sehr teuer sind“, sagt Eva Raabe, Beraterin bei der Verbraucherzentrale Hessen. Durchschnittlich, so ein Branchenexperte, liege der Versicherungsbeitrag bei acht Prozent der Kreditsumme. Der Testkunde der WirtschaftsWoche sollte für seinen 10.000-Euro-Kredit bei der Citibank sogar 1248 zahlen und bei GE Money gar 1462 Euro. Die Banken betonen, dass diese Versicherungen dem Schutz des Versicherungsnehmers dienten. „Sie sind für ihn genauso wichtig wie für uns“, sagt Morrissey. „Die Menschen in Deutschland legen sehr viel Wert auf Sicherheit. Um diesem Bedürfnis nachkommen zu können, bieten wir entsprechende Versicherungsprodukte an. Der Verbraucher hat dann die Wahl.“
Die Wirklichkeit sieht anders aus. GE Money rechnete bei der Anfrage des WirtschaftsWoche-Testkunden eine Restschuldversicherung mit vollem Leistungsumfang gleich in die Kreditrate ein, ohne dass der Kunde es verlangt hätte. Erst auf Nachfrage wurde ihm mitgeteilt, die Versicherung sei „im Komplettpaket inbegriffen“. Dass dadurch Mehrkosten von 1462 Euro entstehen, wurde ihm zunächst verschwiegen. Ähnlich bei der Norisbank. Die Verbraucherzentralen und Stiftung Warentest kommen zu dem Schluss, dass manche Banken es mit der Freiwilligkeit nicht ganz so genau nehmen.

Die Banken sichern mit den Versicherungen nicht nur ihre eigenen Ausfallrisiken ab, sie kassieren für die Vermittlung auch eine hohe Provision: bei einer Rundum-Kreditversicherung ist das im Schnitt die Hälfte des Versicherungsbeitrags, sagt ein Branchenkenner. Die Norisbank hat im vergangenen Jahr knapp 156 Millionen Euro an Provisionen eingenommen – immerhin 27 Prozent des Gesamtertrags. Ein Großteil stamme aus der Vermittlung der Kreditversicherungen, sagt ein Insider. Die Santander Consumer Bank verdiente im vergangenen Jahr 233,7 Millionen Euro an Provisionen.
Und was bleibt den Versicherungen? Nicht viel. Sie sahnen – anders als die Kreditbanken – in diesem wachsenden Markt bisher nicht groß ab. 39,4 Milliarden Euro an Krediten sind in Deutschland durch Restschuldversicherungen abgesichert. Je nach Art der Versicherung fließen zwischen ein und zehn Prozent der Versicherungssumme an die Versicherer, die wiederum 50 Prozent als Provisionen an die Banken abtreten, teilweise deklariert als Marketingzuschüsse. Zehn Prozent gehen für Verwaltungskosten ab. Insgesamt dürfte demnach eine Summe von rund 1,27 Milliarden Euro als Risikoprämie bei den Versicherern hängenbleiben. Schon das ist nicht üppig. Und davon geht auch noch die Schadenssumme ab, wenn die Versicherung für den Kreditnehmer einspringen muss. Genaue Angaben zu ihren Quoten machen die Versicherungen nicht. Branchenkennern zufolge bleibt bei manchen Versicherern weit weniger als die Hälfte der Risikoprämie in der Kasse.

Delta Lloyd Leben, einer der größten Anbieter in dem Segment, verzeichnet mit Restschuldversicherungen zweistellige Zuwachsraten. Doch die Schadensquote wachse – vor allem aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit – derzeit noch stärker als das Neugeschäft, sagt eine Sprecherin. Die CiV-Versicherung, die die Kredite der Citibank absichert, wird in diesem Jahr insgesamt wohl 185 Millionen Euro an Kunden auszahlen müssen.

Auch Horst Krüger hatte eine Restschuldversicherung abgeschlossen. Die aber nützt allenfalls der Bank. Denn die Lebensversicherung übernimmt die Schulden nur im Todesfall, und so weit will Krüger aus Liebe zur Bank nicht gehen.
Die einfachste Lösung wäre für ihn die Privatinsolvenz. Dann müsste er seine Schulden nur noch mit 255,40 Euro pro Monat begleichen. Doch das kommt für ihn nicht infrage. Den Stempel, dass er sein Leben alleine nicht geregelt bekommt, will er sich auf keinen Fall aufdrücken lassen.

Krüger machte auf Anraten der Verbraucherzentrale Hessen den Norisberatern das Angebot, monatlich den pfändbaren Einkommensanteil abzuzahlen, wenn sie dafür nach fünf Jahren die Restschuld erlassen. Dann würde sich Krügers finanzielle Lage wieder entspannen, und die Norisbank bekäme zumindest 18.388 Euro wieder zurück. Doch das wollte die Bank nicht. Sie machte Krüger den Vorschlag, die Rate auf 341 Euro zu senken und die Laufzeit auf weitere 100 Monate zu längen. Insgesamt hätte Krüger dann am Ende seinen 21.000-Euro-Kredit mit 39.000 Euro zurückgezahlt. Darauf will er nicht eingehen.

Seit Monaten sucht er daher nach einem Nebenjob. Jetzt hat er einen in Aussicht. Er könnte nachts als Wachmann arbeiten und 360 Euro hinzuverdienen. Die Sache hat nur einen Haken: Die Stelle liegt am anderen Ende Kassels, ist nur mit dem Auto zu erreichen. Wo das Geld für die Fahrtkosten herkommen soll? Er hat keine Ahnung. Von einer Bank, sagt Krüger, sicher nicht.
[29.11.2006] melanie.bergermann@wiwo.de (Frankfurt)
Aus der WirtschaftsWoche 48/2006.

ID: 39200
Author(s): iff
Publication date: 14/12/06
   
URL(s):

Wirtschaftswoche Article "Geschäfte mit der Not"
 

Created: 14/12/06. Last changed: 14/12/06.
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