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Nudging: Verhaltensmanipulation für profitlose Wirtschaft

Kommentar zu Franziska Augstein Süddt. Ztg v. 24.11.2017

 

Franziska Augstein entdeckt in einem US-amerikanischen Buch eine Binsenweisheit, nämlich dass auch im Zeitalter, in der alles Handeln kapitalistisch gedacht wird, anderes getan wird. Es gibt in der Tat andere als finanzielle Anreize. Man muss sich nur umschauen. Nur das man den Zirkelschluss trägt, Wirtschaft sei auf Geld aufgebaut, so dass geldlose Arbeit keine Wirtschaft ist. Ergiebiger wäre deshalb ein Buch über Eltern-Kind-Beziehungen gewesen. Stattdesen müssen eine tansanische Dorfgemeinschaft und eine zutiefst deutsche freiwillige Aufräumaktion an einem vermüllten italienischen Strand als Beispiele herhalten. Weil das dort so gut funktioniert empfiehlt Augstein Raworths Buch „Doughnut Economics". Gutmenschen sollen eine früher eher als schlecht angesehene Kundenmanipulation durch Suggestivwerbung anwenden, die man mit dem Wort Nudging weiß gewaschen hat. Du, der Du weißt, was gut und böse ist, musst die unbewussten Massen dahin bringen, dass das, was Du möchtest, von ihnen selbst unüberzeugt übernommen wird. Der Kapitalismus wird gut, wenn die Menschen positiv manipuliert werden und der rationale und Gleichheit versprechende Mechanismus der Geldwirtschaft partiell ausgeschaltet und verdrängt wird. Statt Demokratie eine Herrschaft der Klugen und Geistvollen.

Eine Sau wird durchs Dorf getrieben

Diese Sau wird nicht nur von Augstein durch die von der Finanzkrise aufgerüttelte Kapitalismuskritik getrieben. Sie löst die Nobelpreis gekrönten Microfinance-Ferkel und ihre Artgenossen des ethischen Investments ab. Aktuell konkurriert diese Sau mit dem Betrugs-, Porno- und Erpressungsgeld der Bitcoins oder ICOs, die den Glauben an den Wert von Geld an sich benutzen. Sie nutzen das herrschende Unverständnis darüber, was Geld eigentlich ist (und nicht nur wozu es dient) aus. Die Durchgetriebenen kommen alle aus den USA, wo mangels historisch gewachsener Alternativen immer neue Ausreden dafür zu erfinden sind, warum sie die Herrschaft des Geldes nicht durch eine Beherrschung des Geldes ersetzen wollen.

Kapitalismus ist keine Geldherrschaft, sondern eine gedachte Herrschaft der Geldbesitzer

Die Millionenauflagen von Yunus, Soros, Rifkin und Etzioni, die ein Stück feudaler geldloser Gemeinschaftswerte, also das tansanische Dorf oder den deutschen Ordnungssinn, zurücksehnen, lassen das Geld letztlich unberührt. Sein Verständnis bleibt in der Obhut gut verdienender Ökonomen. Sie propagieren eine Alternativökonomie und verwechseln Ökonomie mit einer bestimmten Anschauungsweise von Wirtschaft. Die „eigentliche“ Ökonomie bleibt ungefährdet.

Wirtschaft ist Arbeit für das gute Leben

Letztlich wird damit ein Glaubenssatz verankert, wonach Ökonomie einen gewinngetriebenen Geldkreislauf zu erforschen hat. Damit aber verwechselt man die Zusammen-Arbeit der Menschen als Mittel zur Erreichung des guten Lebens mit den Vorstellungen einer marktwirtschaftlichen Tauschgerechtigkeit. Die Verwechselung lag historisch nahe. Aller Systemkritik zum Trotz war und ist diese Ideologie sogar extrem produktiv. Sie trennte aber die Menschen bei der Organisation ihrer Zusammen-Arbeit von Ratio und Gefühl und ermöglichte zudem die Globalisierung und die Maschinen.
Der aufkommende Handel und  die Nutzung des sakral entstandenen Geldes sprengte die buntscheckigen Bande menschlicher Beziehungen. Sie reduzierte aber dort, wo sie exklusiv gedacht wurde, Miteinander, Vertrauen und Achtung auf Zahlenverhältnisse. Real wirtschafteten die Menschen ganz überwiegend in Staat, Familie, Handwerk, Religion, Vereinen und vor allem im betrieblichen Arbeitsprozess ganz unkapitalistisch.

Der Konsum ist das Ziel von Wirtschaft

Zugrunde lag dieser Quantifizierung die Arbeitszeit als Gradmesser und Schöpfer allen Wertes. In diese Ideologie teilten sich auch so kontroverse Theorien wie die von Marx, Smith und Hegel. Erst mit ihr konnte das Arbeiten für Geld zum Selbstzweck werden, so dass schließlich das Haben von Geld als Verdienst erscheinen konnte und das Kapital als eigenständiger Produktionsfaktor die letzte Verbindung der Arbeit zum guten Leben kappte.
Der „Reichtum der Nationen” wurde aber nicht erst ab 1894 erschaffen. Die Leistung der früheren Gesellschaften war ähnlich fulminant wie der Lernprozess eines Babys im ersten Lebensjahr. Für diese Wirtschaft ist Kapitalismus nur Instrument und seine Dominanz nur eine realtiv kurze Etappe, die durch das Mittel des Geldes möglich und seine Denkgesetze erfolgreich wurde. Doch rational war das noch nie, es war nur geldlogisch. Die Finanzkrise hat es infrage gestellt. Doch fragen sollen wir nicht. Stattdessen werden Antworten durchs Dorf getrieben.

Zusammenarbeit für das gute Leben

Für echte Fragen brauchen wir wirkliche Ökonomen und nicht Hobbygärtner..Die studierten Betrachter von Wirtschaft sollten alle Wirtschaftsprozesse und nicht nur die mit dem Alternativlabel versehenen darauf untersuchen, wie (und ob) die Menschen ihr guten Leben noch bestimmen (Demokratie) und wie sie dies durch Zusammenarbeit organisieren. Ökonomie als Anleitung zur Gewinnmaximierung oder deren Gegenteil wird weniger gebraucht, um Frieden und soziale Kohärenz in einer Weltgesellschaft zu schaffen. Das aber liest man nicht in Bestsellern.  (Udo Reifner)

 


ID: 49168
Author(s): UR
Publication date: 24/11/17
   
 

Created: 24/11/17. Last changed: 24/11/17.
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