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Verantwortliche Kreditvergabe = keine Kreditvergabe? - Bundesregierung dreht den Kredithahn für einkommensschwache Hausbesitzer zu -

Laut Pressemeldungen vom 25.10.2016 gibt es einen Referentenentwurf im Finanzministerium, der wohl im Aufsichtsrecht angesiedelt sein soll und die nächste Finanzkrise dadurch verhindern will, dass die BAFIN einkommensschwachen Personen den Zugang zum Wohnungskredit nach Belieben erschweren können soll. (Das Ministerium hält es wohl noch nicht für nötig, die Grundlage für diese Zeitungsberichte zu veröffentlichen.)

Was soll passieren?

Man will bei ansteigenden Immobilienpreisen die Beleihungsgrenze senken, die Raten erhöhen, indem verbindlich Tilgungsquoten und Mindesttilgungszeiten sowie eine Untergrenze im Einkommen vorgeschrieben werden, unter der keine Kredite erhältlich sind. Kleinkredite und sozialer Wohnungsbau werden ausgenommen. Das Ganze soll als Instrumentarium in die Hände der BAFIN für den Krisenfall gelegt werden.

Damit gibt die Bundesregierung ihrer Umsetzung der Wohnimmobiliarkreditrichtlinie die befürchtete Richtung: verantwortliche Kreditvergabe, wie sie gleich mehrfach im Aufsichtsrecht in §18a KWG und im Zivilrecht in den §§ 505a ff BGB niedergelegt sind sehen das Problem notleidender Hypothekenkredite beim Verbraucher, der besser keinen Kredit aufgenommen hätte.

Die Unterschichten werden vom Hausreichtum ausgeschlossen

Hat Deutschland schon mit 43% die geringste Wohneigentumsquote in der EU, so soll die soziale Verteilung des Wohneigentums damit zementiert werden. Dass heute die extremen Zuwächse im Vermögen bei Immobilien erfolgt, während Sparer noch Geld verlieren macht dann deutlich, dass die soziale Schere, wie sie der Finanzdienstleistungssektor überall produziert, weiter aufgehen soll, zumal auch die Kosten der Nichtbesitzenden durch den rasanten Anstieg der Mietpreise mit ihren untauglichen gesetzlichen Bremsen sich dramatisch erhöhen.

Das Märchen von der Schuld der Schuldner an der Finanzkrise

Dahinter steht ein Märchen zur Ursache der Finanzkrise 2008 in den USA. Danach sollen es die Hausbesitzer sein, die sich keinen Hausbesitz leisten konnten und deshalb unbezahlbare Hypothekenkredite aufnahmen, wobei sogar noch das US-amerikanische Kreditprogramm für sozial Schwache Schuld gewesen sein soll. Die Schuldner haben die Schulden und die Schuld. In den USA ist das Märchen längst enttarnt. Sozialkredite haben keine Rolle gespielt, weiß die US-amerikanische Bundesbank nach einer Untersuchung zu berichten.  Mehr Häuser als sonst wurden weder gebaut noch erworben. Dafür aber wurden die Kreditkartenschulden auf die Häuser umgeschuldet, die Hypothekenkredite wurden von 30 Jahren Festzins auf variabel umgeschuldet, die Wucherzinsen wurden wieder kreditiert und das durch Kredite simulierte Hauspreisniveau einfach auf alle Häuser erweitert, obwohl deren Verkauf ja den Markt zum erliegen gebracht hätte.

Deutschland wurde anders als Spanien und Großbritannien von der Hypothekenkrise verschont, weil es wirksame Wuchergrenzen, öffentliche Förderprogramme und eine Konkurrenz durch einen funktionierenden Mietwohnungsmarkt gab, der den Schwellenhaushalten offen stand.

Immobilienblase muss vor allem im Immobilienmarkt verhindert werden

Es ist richtig, dass in den USA die Immobilienpreise sich fast verdoppelten, weil die Banken entsprechende Hypotheken brauchten. Doch daraus zu folgern, dass Hypotheken der Grund für die Immobilienpreisblase sind ist falsch. Die Immobilienpreise werden wie auf allen Märkten durch Angebot und Nachfrage nach Immobilien bestimmt. Kredite heften sich an diese Preise an und beleihen meist einen Teil davon. Steigen die Preise, steigen die Kredite und nicht umgekehrt, es sei denn, es wird massenweise betrogen, gelogen und manipuliert. Wenn man, wie es sogar die EZB und die Bundesregierung verlautbaren ließ, die Portugiesen reich gerechnet werden, weil man die paar Häuser, die dort verkauft werden, als Marktpreise auf den gesamten Hausbesitz hoch rechnete, dann ist das Scharlatanerie. Hier würde schon Aufklärung und Bankenüberwachung reichen. Limits und Ausschlüsse sind hier falsch. Das Problem der Immobilien besteht darin, dass es sich um die einzige Ware auf dem Markt handelt, die sich vor allem in Ballungsräumen nicht beliebig und kurzfristig vermehren lässt.  Es hat also eine Monopolstruktur. Der Markt versagt. Hier ist der Staat gefragt.

Er ist bereits tätig. Zweckentfremdungs- und Leerstandsverordnungen, die Verbote gegenüber AirBNB, sozialer Wohnungsbau, Sanierungsgebiete und Stadtplanung – leider alles Bereiche, die eher vom Rückzug gekennzeichnet sind. Klare Nutzungsauflagen und auch die Überlegung, warum nicht auch Wohnimmobilienpreisentwicklungen nach Art der Mietpreise gebremst werden können, sind weitere Schritte, um die Nachfrage zu stärken.

Immobilienpreiswettbewerb braucht mehr Nachfrage, mehr Nachfrage braucht mehr angepasste Kredite an Schwellenhaushalte

Mit Blick auf die Finanzkrise und die Immobilienpreise geht die Bundesregierung in die falsche Richtung, zumal sie der Finanzaufsicht indirekt die Wohnungsfrage anvertraut. Nicht der Verbraucher muss an die Kreditvergabe sondern die Kreditvergabe an den Verbraucher angepasst werden. Die Kredite müssen nicht nur verantwortungsvoll vergeben sondern vor allem verantwortungsvoll angepasst werden an die Lebenssituation der Verbraucher. Das bedeutet, dass endlich die Vorfälligkeitsentschädigungen entfallen müssen, mit denen diejenigen extrem belastet werden, die einen Kredit wegen Umzugs oder Not abbrechen müssen. Ferner müssen Kreditmodelle erprobt werden, bei denen Mieter über Fonds einzelne Quadratmeter ihrer Wohnung kaufen können und damit Kapital in diesen Sektor strömt. (Vgl. dazu unser Modell der Wohneigentums eG & Co KG für Schwellenhaushalte)  Die Wohneigentumszulage wurde gestrichen. Nichts Adäquates ist an die Stelle getreten. Der Wohnungsmarkt ist in einer Weise asozial geworden, die uns innere Probleme wie in den Banlieus von Paris und London bescheren wird. Der Gesetzesantrag der Länder Baden-Württemberg und  Hessen geht zwar in die gleiche Richtung, wenn er die Rückzahlungskriterien bei der Kreditprüfung auf die Wirkungen seiner Nutzung erweitert. Doch dies ist eher eine Sebstverständlichkeit. Kein Gericht und keine Aufsicht werden einen Kredit bemängeln, der einer Fortbildung dient, die dann zur Berufsaufnahme führt, aus der der Kredit zurückgezahlt werden soll. 

Das Märchen von dem adäquaten Einkommen

Auch der Referentenentwurf kolportiert eine Theorie, wonach man sich Kredite „leisten“ können muss. Da Besitzer großer Vermögen allenfalls als Betrüger (siehe Schneider) ein Problem des Kreditsektors sind geht man gemeinhin davon aus, dass das Monatseinkommen entscheidet. Die Schweiz und Frankreich wollen eine Belastungsgrenze mit Kreditraten bei 30% sehen.  Dies scheint auch der Referentenentwurf der BAFIN anvertrauen zu wollen. Doch solch starre Grenzen werden dem auseinanderdriftenden Wohnungsmarkt nicht gerecht. Da zugleich die Raten wieder durch Tilgungs- und Zeitvorgaben erhöht werden sollen, wirken sie zudem noch diskriminierender.

Die iff-Überschuldungsreports, die jährlich auf dem Internet verfügbar über 80.000 +überschuldete Haushalte Auskunft geben, zeigen zudem, dass erstens der Hypothekenkredit praktisch keine Rolle bei der Überschuldung spielt, zweitens die Probleme nicht durch eine falsche Kreditaufnahme sondern durch Veränderungen wie Arbeitslosigkeit, Einkommensreduktion, Ehescheidung und Krankheit erst später entstehen. Es ist die Starrheit der Kreditgeber, die darauf bisher keine Antwort gefunden haben und stattdessen mit überteuerten Lebensversicherungen allein ein finanzielles Problem lösen, das keine ist: den Tod. Liquiditätssicherung, Flexibilität, Gruppenfinanzierungen, Wechsel statt teurer Umschuldungen wären hier gefragt. Doch die Produkte sind hier im 20. Jahrhundert stecken geblieben. Besonders schlimm sieht es dabei mit den Bausparsofortfinanzierungen und den Lebensversicherungshypotheken aus. Sie sind so inflexibel, verlustreich und unsinnig, dass ihr Verkauf gerade an die schwächeren Schichten verboten werden müsste.

Fazit

Das Problem der Zukunft ist nicht die Sicherheit der Banken. Banken sind sicher, wenn sie produktive Kredite vergeben und vor allem deren Nutzung produktiv erhalten. Das aber hängt nicht davon ab, was jemand hat sondern was er oder sie mit dem Geld machen. Das Problem der Zukunft ist die soziale Diskriminierung und Spaltung der Gesellschaft vor allem im Wohnungsmarkt. Dass dies hier nicht einmal erwogen wird, dass das Wohnungsministerium sich nicht zu Wort meldet und die Sozialministerin sich für ebenso unzuständig hält wie das Verbraucherministerium ist nicht gut. Sozale Diskriminierung ist ein Prozess und kein Ergebnis. Sie muss gerade im Finanzsektor diskutiert werden, wo mit risikoadjustiertem Preis, sozial einseitig wirkenden Vorfälligkeitsentschädigungen und Versicherungswucher umverteilt und der Kredit als Tor zur Teilhabe einseitig den Besserverdienenden zugeordnet wird.


ID: 49065
Author(s): UR
Publication date: 25/10/16
   
 

Created: 25/10/16. Last changed: 27/10/16.
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