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Geldforum der Kritiker – Thesen und Gegenthesen

Geldforum gegründet

40 Wissenschaftler haben sich in ihrer kritischen Haltung gegenüber dem Geldsystem in einem Internetforum http://geldmitsystem.org zusammengefunden und dabei 10 Thesen formuliert. „Fernziel ist es, ein Ansprechforum zu bilden, damit sich Politiker nicht weiter von Experten aus der Finanzbranche beraten lassen, deren Interessen nicht sozialer Natur sind, sondern die vor allem den Geldstrom zu ihren Gunsten sichern wollen.“ Zu den Mitgliedern gehören bekannte Gesichter und Buchautoren insbesondere aus dem Bereich alternativer Geldtheorien.

Die Gruppe hat auch Udo Reifner vom institut für finanzdienstleistungen in Hamburg angeschrieben, der seine Kritik in dem Buch „Die Geldgesellschaft“ formuliert hat. Er hat mit dem folgenden E-Mail an Hand der Thesen begründet, warum er sein Konzept der Kritik in diesen Thesen nicht repräsentiert findet. Wir dokumentieren dies sowie die Erwiderung durch den Sprecher der Gruppe.
 

Thesen und Gegenthesen

Am 04.10.2011 13:48, schrieb Udo Reifner:

Lieber Herr Gotthalmseder,

vielleicht noch einmal deutlicher, dass ich zwar die von Ihrer Gruppe angefachte Diskussion für sehr stimulierend halte, gleichwohl aber mich doch eben sehr deutlich unterscheide, weil ich zwischen den Stühlen sitze. Ich glaube, dass wir im Grundsatz Geld viel zu wichtig nehmen und zwar bei den Kritikern noch mehr als bei den Apologeten des Geldsystems.

Deshalb passe ich in diesen Kreis auch nicht hinein sondern eigentlich viel besser in den Kreis derjenigen Banker, die noch ein Berufsethos haben. Banker organisieren nämlich die Kooperation in der Gesellschaft und wer das ernst nimmt, der setzt das Geld auch für produktive Zwecke ein. Solche Personen hat es historisch viele gegeben und viele wurden gleichwohl als Geldraffer diffamiert.

Zu den 10 Kernaussagen hier etwas kurz ein paar Gegenthesen.

Die 10 Kernaussagen (Kommentar in Kursiv):

1) Die meisten Nationen dieser Welt stehen vor dem Problem einer anwachsenden Vermögenskluft und steigender Schuldenberge.

... ein Anwachsen der Unterschiede in Macht und Chancen der Menschen. Dieses Anwachsen wird nicht durch das Geld bewirkt sondern nur durch das Geld verschleiert.

2) Diese Phänomene haben ihren Ursprung weniger in wirtschaftlichem Fehlverhalten oder verschwenderischer Politik, sondern resultieren vor allem aus dem nicht nachhaltigen Aufbau unseres Geld- und Finanzsystems.

Es gibt kein "nachthaltige Geldsystem" (ebenso wie es kein nachhaltiges Wassersystem gibt). Deshalb gibt es auch kein ethisches Geld etc. Nachhaltig oder nicht sind realwirtschaftliche Vorgänge (bzw. das Planzen- und Tierwachstum). Das Geld ist ein Mittel unserer Vorstellung, mit dem wir die Kooperation organisieren.

3) Geld wird heute über Kreditvergabe in das System eingebracht.

Geld ist jede zirkulationsfähige Forderung, die tatsächlich gegen Waren und Dienstleistungen bzw. anderes Geld eingetauscht wird. Wo dies entsteht, entsteht Geld. Wo Forderungen erlöschen, erlischt Geld. 

Um Geld in Umlauf zu halten, müssen die dabei entstehenden Schulden von den Banken durch stetige neue Kreditvergabe aufrechterhalten werden.

Nein, die Geldmenge könnte auch theoretisch sinken. Der Satz enthält sehr viele Ideologien in einem Mal.

Das Zinseszinsphänomen führt dabei zu einer sich beschleunigenden Zunahme der Schuldlasten, die sich auf andere Finanzprodukte überträgt.

Jeder Wachstumsprozess, also auch der des Geldes, spiegelt sich mathematisch in der Wachstumsformel (1+i)hoch t wieder. Anders lässt er sich nicht begreifen, wo wie beim Geld oder beim Gletscher oder Baum der jeweilig gewachsene Anteil am Wachstum wieder teil hat. Zinseszinsen sind nur die Banalisierung der Wachstumsformel, bei der die unsinnige Vorstellung, dass der gewachsene Anteil einer Materie als Zins wie eine Frucht von ihr getrennt werden könnte, aufrechterhalten wird. Wer Wachstumsprozesse linearisieren will, bildet sie schlicht falsch ab. Etwas anderes ist, ob man Wachstumsprozesse bremsen sollte, wenn sie "wuchern".

4) Wir nehmen an, dass die Struktur des Geld- und Finanzsystems zur exponentiellen Zunahme der Staatsschulden führt, wie sie in allen westlichen Nationen zu beobachten ist (mit Ausnahme der Steueroasen und unter Berücksichtigung von Schwankungen durch kriegsbedingte massive Geldschöpfung).Wäre Misswirtschaft die Ursache, so müsste ein Auf und Ab, je nach Kompetenz der Regierungen zu beobachten sein, und die Schwankungen dürften bestenfalls in der Höhe des Wirtschaftswachstums zunehmen und es nicht weit Übersteigen. Überdies ist zu klären warum Schulden von Unternehmen und Privatleuten mit der gleichen Dynamik anwachsen, während das im Finanzsektor befindliche Vermögen steigt.

Der Finanzsektor hat keine Vermögen sondern alles Vermögen gehört (letztlich)Personen. Die Wachstumsformel hat in der Tat einen Faktor als Exponent. Der Wachstumsfaktor kann aber auch kleiner 1 sein (Schrumpfungsfaktor). Dass Staatsschulden wachsen hat nichts mit dem Geldsystem sondern damit zu tun, dass der Staat sich auch bei Ausgaben, die keinen Gewinn abwerfen, den Gesetzen des Marktes unterwirft und dem Kapitaleigner einen fiktiven Teil überlässt.

5) Ein nachhaltig funktionierendes Wirtschaftssystem ist daher nur auf der Basis von grundlegenden Veränderungen im Finanz- und Geldsystem vorstellbar.

Entscheidend ist wohin es gehen soll und vor allem, was wir als ein solches System definieren.

6) Die Politik schafft die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Deshalb rufen wir unsere politischen Entscheidungsträger auf, die wissenschaftliche Erforschung des Geldsystems zu fördern um den Handlungsbedarf zu erkennen.

Nicht das Geldsystem sondern seine Wirkungen auf die Menschen müssen wir erforschen. Forschungsgegenstand ist vielmehr die Realwirtschaft.

7) Der Entwicklung von Computermodellen zur Grundstruktur des Geld- und Finanzwesens sollte ein annähernd hoher Forschungsetat zufließen, wie der Entwicklung von Klimamodellen, da das Wohl des Bürgers in ebenso hohem Ausmaß von diesem menschgemachten System abhängig ist.

Um Himmels willen, da werden dann Zahlen zu Realitäten. Was ist denn die Geldmenge? Eine Annahme über die Zirkulationsfähigkeit bestehender Forderungen, was wiederum von deren Bonität abhängt. Geld entsteht nur im Gebrauch "The pudding is in the eating".

8) Die Erforschung alternativer Modelle ist eine sozialpolitische Notwendigkeit, so lange die Vermutung nicht entkräftet werden kann, dass die Ursache der weltweit steigenden Vermögenskluft im Finanzsystem zu suchen ist.

Sind es wirklich alternative Modelle? Mir erscheint es häufig so, als ob die meisten Modelle eher ein früheres Geldstadium betreffen und mit der heutigen Vergesellschaftung nicht Schritt halten wollen. Das gilt vor allem für die Alternativen zum Geld.

9) Das Geld muss im Ursprung dem Volk gehören. Wenn ein System Zinslasten auf das in Umlauf befindliche Geld einfordert, so dürfen die Zinserträge daher nur systemerhaltend eingesetzt werden, oder allgemeinen Zwecken zukommen. Auch ist zu überdenken, inwieweit eine staatliche Geldschöpfung ohne Zinslasten möglich wäre.

Geld hat keinen eignen Wert. Daher ist es gleichgültig "wem es gehört". Es geht in unserer Gesellschaft darum, wer was von wem "fordern" kann. Das ist ein Konzept unserer Rechtsordnung, die auf Verträgen aufbaut und jedem das Recht gibt, andere von bestimmten Dingen (Eigentum, Urheberrechte, etc.) auszuschließen.

10) Die breite Masse geht heute von völlig falschen Annahmen darüber aus, wie Banken agieren und wie Geld entsteht. Das Thema darf im Bildungssektor nicht mehr weiter ausgeklammert werden. Ansonsten sind alle zukünftigen politische Maßnahmen aufgrund des Unverständnisses von Seiten der Wähler zum Scheitern verurteilt.

Ich glaube, dass die breite Masse schon Recht gut weiß, was Banken machen. Man sieht sie als Makler und gibt ihnen denselben Wert. Der Irrglaube über Geld als eigenständigem Wert ist eher bei den Experten verbreitet.

Mit freundlichen Grüßen

Udo Reifner


Am 05.10.2011 um 10:22 schrieb "Manfred Gotthalmseder"

Sehr geehrter Prof. Dr. Udo Reifner!

Wahrscheinlich passen Sie nicht so gut in unsere Runde, was mich aber nicht davon abhält, sie in unser Diskussionsforum einzuladen, sobald ich es eingerichtet habe. Sie argumentieren in vieler Hinsicht, wie Banker dies tun, um ihr Berufsethos zu wahren. So zum Beispiel, wenn Sie sagen:

Geld hat keinen eignen Wert. Daher ist es gleichgültig "wem es gehört". Es geht in unserer Gesellschaft darum, wer was von wem "fordern" kann.

Das ist für mich ein Widerspruch in einem Satz. Denn der Wert des Geldes liegt eben genau darin, dass ich etwas von jemand anderem fordern kann, und daher ist es aus ethischer Sicht eben nicht gleichgültig wem es gehört. Wenn Sie Zinsen dafür nehmen können, so ist es eben nicht gleichgültig, ob sie das Recht haben, ihr Geld mehrfach zu verleihen (wie eine Bank), oder nur einmal (wie jeder andere Bürger).

Aber damit vertrete ich nun nicht die gesamte Gruppe, und deshalb möchte ich hier nicht weiterdiskutieren. Wenngleich: Vielleicht interessiert Sie meine eigene Meinung:

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass private Banken heute eigentlich über Arm und Reich in der Form walten, als sie bestimmen, welchen Leuten sie Kredite zu welchen Zinsen gewähren. Die französische Revolution hat die Gewaltentrennung gebracht. Niemand kann nun willkürlich über Gut und Böse entscheiden. Aus meiner Sicht ist der logische nächste Schritt eine Geldschöpfung in öffentlicher Hand auf der Basis einer Gewaltentrennung, denn kein privates Unternehmen darf die Willkür über Arm und Reich besitzen. Auch würde die Kreditvergabe dann nach anderen Richtlinien verlaufen als heute. Heute bekommt jener Kredit, dem zugetraut wird das Geld mit Zinsen zurückzuerstatten. Auch in öffentlicher Hand würde die Geldmenge über Kreditzinsen geregelt werden müssen, denn ein Nullzins wäre ein verschenktes Geld, und jeder würde die Hand aufhalten, was die Geldmenge explodieren ließe. Aber wer von öffentlicher Hand Kredite zu welchem Zins erhielte, würde vor allem in Hinsicht auf die kollektiven Interessen bestimmt.

Ein soziales Projekt würde eher zu Geld kommen, als ein Projekt, das die Umwelt oder das Sozialsystem belastet. Heute ist es geradezu umgekehrt. Denn ein Unternehmen, das viel Aufwand auf den Staat abwälzen kann, arbeitet heute wirtschaftlicher. Auch ich habe einige Kritik an Ansichten von Mitgliedern meiner Website. Zum Beispiel an der prinzipiellen Einstellung mancher gegen die Zinsnahme. So sind ja die Zinsnahme der Banken im Ursprung dazu gedacht, dass sie damit ihre Aufwände, also Gehälter und Bankinfrastruktur tätigen. Damit käme ja das Geld zurück in die Realwirtschaft, und die Schuldner könnten somit durchaus mehr Geld zurückzahlen als je geschöpft wurde. Allerdings kann die Verspätung, mit der das Geld wieder über die Realwirtschaft bei Schuldnern landet, durchaus einen Effekt haben, der sich über Jahrzehnte summiert. Ich überlege mir dazu eine Computersimulation. Meine Hauptkritik am System ist eine andere: Wenn die gesamte Geldmenge von Banken über Kreditvergabe in die Welt kommt, so fallen auch ständig auf diese Menge Zinsen an. Die Banken können unmöglich diese enormen Zinsverdienste über Gehälter und Infrastrukturerhaltung an die Realwirtschaft zurückgeben. So legen sie das Geld im Finanzsektor an. Geldanlageprodukte sind dadurch zu definieren, dass sie der Besitzer nicht nutzt. 

Der überwiegende Teil unserer Gelder wird heute im Finanzmarkt gebunden, für den ständigen Handel zwischen Käufern, welche die Produkte, die sie kaufen nicht nutzen. Damit werden nicht nur Ressourcen der Realwirtschaft auf eine gewisse Zeit entzogen, bis der Preis so weit gestiegen ist, dass damit Profite zu machen sind, sondern auch ein großer Teil der Gelder bleibt der Realwirtschaft dauerhaft entzogen, weil er im Geldanlagemarkt kreist. Seit den 70er Jahren hat sich die Geldmenge weltweit vervierzigfacht, und selbst in Deutschland verzwanzigfacht (und seit der Finanzkrise wohl noch einmal verdoppelt). Wie kam man damals mit einem Vierzigstel der Geldmenge aus? Ganz einfach: Der Finanzsektor begann sich erst damals aufzublähen. Da dieser ständig Geld "absaugt" muss auch ständig neues Geld geschöpft werden, um die Realwirtschaft am Leben zu erhalten. Die enormen Geldmengen im Finanzsektor führen zu ständigen Preissteigerungen bei Geldanlageprodukten, wie Edelmetallen, Rohstoffen, Land oder Energie. Diese Preissteigerungen bezeichnet man dort nicht als Inflation, sondern als Kursgewinne. Sie übertragen sich aber in Form von Inflation auf die Realwirtschaft. Inflation entsteht normalerweise, wenn mehr Geldmittel im Umlauf sind als Waren. In Zeiten der Überproduktion sollte gar keine Inflation entstehen. Tut sie aber, da nicht genügend Geldanlageprodukte vorhanden sind, für die enormen Geldmengen im Finanzmarkt. Die Vervierzigfachung der Geldmittel seit den 70er Jahren hat den Banken enorme Zinsgewinne eingebracht. Hätte der Staat diese Zinsen zur Verfügung gehabt, er hätte kein Problem, sie zurück in die Realwirtschaft zu führen, denn er hat immer Ausgaben. Die Banken konnten jedoch nichts anderes tun als die Zinsen an den Finanzmarkt zu tragen, und damit eine gefährliche Zinseszinsspirale auszulösen, die den Finanzsektor immer größer werden ließ. Deshalb gehört die Geldschöpfung meines Erachtens in die öffentliche Hand.

Von: Udo Reifner Gesendet: Mittwoch, 5. Oktober 2011 17:28
Nur noch eine Bemerkung.

Der entscheidende Satz ist "Denn der Wert des Geldes liegt eben genau darin, dass ich etwas von jemand anderem fordern kann." Es ist für mich umgekehrt: weil ich etwas von jemandem fordern kann, kann ich es evtl. als Geld verwenden. Daher kann man Geld auch nicht prinzipiell verstaatlichen. Wer immer als Schuldner ausreichend auf Dauer zahlungsfähig  ist, dessen Schuld kann prinzipiell abgetreten und damit zirkulationsfähig werden. Dann ist es Geld. 



ID: 47729
Author(s): UR
Publication date: 18/10/11
   
URL(s):

Geldforum der Kritiker
 

Created: 18/10/11. Last changed: 18/10/11.
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