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Aasgeier des Kapitalismus - wie können wir den Wucher gegenüber Griechenland begrenzen?

Gibt es eine Alternative zu Hans-Werner Sinn?

Hans-Werner Sinn, die neo-liberale Bild-Zeitung der Wirtschaftswissenschaften im ifo-institut in München, hat in der Süddeutschen Zeitung v. 24./25.4.2010 S.28 uns auf einer ganzen Seite die griechische Krise in drei Szenarien erläutern dürfen. Dass Sinn die Mechanismen rechtfertigte, die zur Finanzkrise geführt haben, und alles falsch voraussagte, was möglich war, interessiert heute niemanden mehr. Sinn spricht wieder nur das aus, was alle ohnehin glauben, die Erklärungen brauchen, mit denen sie so weitermachen können. Griechen sind dann faul, betrügen. Wir müssen ihnen das richtige Wirtschaften beibringen. Der deutsche Staat sollte sich möglichst raushalten, damit die Finanzmärkte ihr segensreiches Wirken fortsetzen können, um die griechische Staatswirtschaft so umzugestalten: die tüchtigen Kapitalbesitzer, Unternehmer belohnen, die untüchtigen Mütter, Arbeitslosen, zu Jungen und zu Alten sowie andere Benachteiligten bestrafen. für den Rest sorgen dann die Sicherheitskräfte.

Haben wir zu diesem (Un-)Sinn eine Alternative. In dem Buch "Die Geldgesellschaft - Aus der Krise lernen" (VS-Verlag 2010) wird das versucht. Allerdings muss man dazu die Dinge wie Zinsen, Kapital, Wachstum und Geld von Grund auf überdenken und in der Geschichte etwas weiter zurückgehen als die jungen Wirtschaftswissenschaften des Kapitalismus es heute können. Zentral ist dabei das Wucherverbot, das von Babylon über Griechenland, Rom und dem mittelalterlichen Deutschen Reich bis heute in vielen Varianten und Facetten den ungeheuren Hunger der Reichen, ihre Stärke gegenüber den Armen auszunutzen, in produktiven Grenzen gehalten hat.

Das Aasgeier-Prinzip: risk-based-pricing

Der Hunger des Aasgeier-Kapitalismus drückt sich im Zinssatz aus. Wenn alle gleich 10% p.a. Zinsen erhalten, dann bekommt der Millionär 100.000 € im Jahr und der Kleinsparer 100 € für seine 1.000 € Sparguthaben. Beides muss volkswirtschaftlich von allen, die arbeiten, erwirtschaftet werden. (Die Geldgesellschaft S. 125 ff) Abgeschöpft wird es über Kredite. Unternehmen, Verbraucher und Staat müssen damit die Zinsen erwirtschaften, die das Kapital als Rendite einfordert. Gehört die Ungerechtigkeit, dass Reichtum mehr verdient als Armut noch zur Logik eines produktiven Systems, die wir allenfalls damit zügeln können, dass wir verantwortlichen Umgang mit Reichtum einfordern, so ist das zweite Prinzip zerstörerisch. Die Zinssätze sind nicht gleich. Wer mehr hat, erhält höhere Zinsen, wer arm ist zahlt diese höheren Zinsen. Man nennt dies "rsik-based-pricing". (S. 235f) Man sagt, der Arme sei ein höheres Risiko. Das ist das Aasgeier-Prinzip. Denn der Arme zahlt ja nicht, weil er wirklich einen Ausfall verursacht sondern weil man ihm das zutraut. Wenn von 100 in Not geratenen 10 ausfallen, dann werden die anderen 90 nur deshalb bestraft, weil wir nicht in der Lage sind, die wirklichen Faktoren, die zum Ausfall führen, zu analysieren. (Schließlich ging ja auch die HypoRealEstate bankrott und die gehörte zu den Reichen). Griechenland ist in so einer Klemme. Jetzt (22.4.2010) soll es für die Kredite, die es aufnimmt, 8,92% pa. Zinsen bezahlen, während der Deutsche Staat das Geld für 4% p.a. erhält. Damit zahlt Griechenland für die 45 Mrd. €, die tournusmäßig (auch in Deutschland) ersetzt werden müssen, statt 5,4 Mrd. € in den nächsten drei Jahren ca. 14 Mrd. €, die die Griechen erarbeiten müssen. Herr Sinn hat dafür tolle Vorschläge, wie sie diese Wucherrenditen verdienen können: alle Inseln parzellieren, die Bauern vertreiben und deutschen Kapitalisten ein Anlageobjekt verschaffen, dass dann als Ferienvilla verwaist das Land verwüsten wird.

Braucht der Staat überhaupt eine Verschuldung?

Ja. Jeder Staat muss dafür sorgen, dass auf lange Sicht seine Steuereinnahmen und seine Ausgaben für die Allgemeinheit sich die Waage halten. Das befreit ihn nicht davon, Kredite aufzunehmen. Man erhält meist die Steuer ein Jahr später, als wie man sie braucht und schließlich will der Staat auch Investitionen in Infrastruktur, Bildung, sozialen Ausgleich und Wirtschaft machen, aus denen dann in der Zukunft das Kapital erwächst, mit dem man die Schulden zurückzahlt. Handelt der Staat so, so ist seine Kreditaufnahme "produktiv" und die Gläubiger haben eine "verantwortliche Kreditvergabe" vorgenommen.

Doch nicht nur in Griechenland war das anders. Vor allem die USA unter Bush aber auch Berlusconis Italien, Helmut Kohl in Deutschland haben unproduktive Kredite aufgenommen, mit denen sie verlorene Ausgaben finanziert und dabei viel zu hohe Zinsen bezahlt haben und dabei den Reichen noch die Steuern erlassen. Hier die Euro.-Sünder nach Angaben der EU (Eurostat für 2009 vom 22.4.2010) im Überblick:

Öffentlichen Defizite als Prozent des BIP: Irland (-14,3%), Griechenland (-13,6%), Vereinigtes Königreich (-11,5%), Spanien (-11,2%), Portugal (-9,4%), Lettland (-9,0%), Litauen (-8,9%), Rumänien (-8,3%), Frankreich (-7,5%) und Polen (-7,1%)

Verschuldungsquote in % des Bruttoinlandsproduktes: Italien (115,8%), Griechenland (115,1%), Belgien (96,7%), Ungarn (78,3%), Frankreich (77,6%), Portugal (76,8%), Deutschland (73,2%),

Die fixen Grenzen für "Verantwortung" und "Produktivität" sind dabei sehr fraglich. Schulden können produktiv sein, wenn man damit die Jugend so ausbildet, dass sie es später qualifizierter erarbeiten kann. Nährt man damit nur die Reichen, wie es die FDP will, dann ist jedes Defizit ein Verbrechen. Was gesellschaftlich produktiv ist, muss nicht mit dem Begriff wirtschaftlicher Produktivität übereinstimmen. Hier brauchen wir neue Indikatoren, wie es die Nobelpreisträger Sen und Stiglitz vorgeschlagen haben.

Griechenland hat also nur das Pech, dass es so klein und schwach ist, dass es im IWF, bei der EU oder bei den Nachbarn nur als Bittsteller auftreten kann während Franzosen und Deutsche einfach die Nicht-Anwendung der Euro-Kriterien auf sie in Brüssel durchsetzen konnten.

Warum zahlt Griechenland Wucherzinsen?

Staaten finanzieren ihren Haushalt (das Wort "Haushaltsdefizit" ist irreführend, weil man den Zeitraum, in dem ein Haushalt insgesamt ausgeglichen sein muss (jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr, in der Legislaturperiode?), außer Acht lässt) mit Krediten. Weil hier der Kreditnehmer den Kreditgeber sucht, nennt man es eine "Anleihe". Anleihen werden in Schuldscheinen garantiert ("verbrieft"). Solche Anleihen werden breit gestreut. Es gibt daher einen "Markt für potentielle Kreditgeber", den Anleihemarkt. Die als Staatsanleihen bezeichneten Darlehen haben wie jeder Kredit eine Laufzeit z.B. von 3 Jahren.

Die Kreditgeber sind meist Großinvestoren, die maximal verdienen wollen. Sie verkaufen daher auch die Schuldscheine, bevor der Kredit fällig wird einmal um vorzeitig wieder an das Geld zu kommen (Liquidität) oder um einen Gewinn daraus zu machen, dass andere gerne diese Anleihen hätten. Hat man einen Kredit mit 4% Verzinsung während neue Anleihen nur noch für 2% angeboten werden, so rechnet sich ein Käufer aus, dass es für ihn lukrativer ist, eine bestehende Anleihe zu kaufen als eine neue anzunehmen. Umgekehrt, befürchtet der alte Kreditnehmer, dass sein Schuldner vielleicht säumig oder insolvent wird, so wird er die Anleihe billiger verkaufen. Für den Käufer bedeutet das, dass seine Rendite steigt.

Welcher Preis nun der Richtige ist, bestimmt der Markt. Aber der Markt richtet sich dabei nach den Marktpropheten. Das sind die Ratingagenturen. Sie "stufen" eine Anleihe herab. Warum, das sagen sie nicht. Sie haben hier eine Monopolstellung, die sie ja in der Vergangenheit auch kräftig zugunsten der Reichen missbraucht haben.

Sie haben nun Griechenland herabgestuft, obwohl es zum Euro-Raum gehört und die Eurozone es niemals wird zulassen können, dass ein Mitglied die Zahlungen auf seine Schulden einstellt. Auch das Szenario von Sinn, dass Griechenland zum Drachmen zurückkehrt und damit die Schulden abwerten kann, ist juristischer Un-Sinn, weil die Verträge in Euro lauten und zudem dann jedes Euroland ein unsicherer Kandidat würde. Auf dem Markt schnellen die Renditen für griechische Staatspapiere in die Höhe. Da Griechenland nach Auslaufen der Kredite sie verlängern bzw. umschulden muss, können die Gläubiger den Preis neu setzen. Die aber verlangen die Rendite, die sie beim Aufkauf alter Schulden auch bekommen. So muss dann Griechenland, will es auf seinen Anleihen nicht sitzen bleiben, Wucherzinsen bezahlen. "Der Markt" erpresst das Land."

Griechenland wird zum Risiko erklärt und ist zu schwach, sich dagegen zu wehren. Die neuen Gläubiger freut es. Sie verdienen jetzt doppelt und wissen zudem, dass die Forderungen letztlich sicher sind. Es ist das Prinzip des risk-based-pricing, mit dem man auch die alleinerziehende Mutter in den Ruin treibt, die letztlich insolvent wird, nicht weil sie sich den Kredit nicht leisten kann sondern weil die Zinsen nach der dritten Umschuldung unter Ausnutzung ihrer Schwäche in astronomische Höhen geklettert sind. Dort nennt man das Kettenkredite.

Es ist also eine sich selbsterfüllende Vorhersage: ein Schuldner, von dem sich herausgestellt hätte, dass er brav zurückzahlt, wird zum Risiko erklärt, wodurch die Zinsen steigen, wodurch der Schuldner überschuldet wird und dann ausfällt. Eine perverse Logik.

Was kann man dagegen machen?

  • Alle Staaten der Welt könnten sich darauf einigen, nur noch variabel verzinsliche unbefristete Anleihen auszugeben. Dann wären sie nicht mehr erpressbar. Es gäbe aber keinen Markt für Anleihen mehr und das Interesse der Gläubiger wäre evtl. geringer. Man sollte es aber wenigstens einmal versuchen in Zeiten wie jetzt, wo Staatspapiere so viel sicherer sind als die privaten Anleihen.

  • Man verpflichtet die Gläubiger von Staatsanleihen einer Verlängerung zu fairen Preisen zuzustimmen. Dazu muss man vorher die zugelassenen Ratingagenturen verstaatlichen und vom Profitdenken befreien, damit der Preis fair wird. Unabhängige Wissenschaftler bestimmen dann das echte Risiko des Schuldners. Für ihre Irrtümer könnte eine Versicherung aufkommen.

  • Viel bescheidener wäre eine Wuchergrenze. Würde man je nach Laufzeiten und Höhe der Kredite die Rendite auf 130 - 200% der marktüblichen Rendite begrenzen, so würde sich das ganze Geschäft anpassen. Die Drohung, dann bekämen die Schwachen kein Geld mehr, hat sich nirgendwo empirisch bewahrheitet. Schließlich müssen die Gläubiger ihr Geld los werden und in der Schublade bringt es weit weniger. Der Markt passt sich an solche Grenzen an und die Kreditgeber werden verantwortlicher.

  • Man streicht den Altgläubigern einen Teil der Schulden und bestraft sie für ihre Kreditvergabe wie Sinn es dem IWF unterstellt, wenn er hilft. Das aber verunsichert die Märkte und trifft die Falschen. Besser wäre es, man streicht alle Renditen, die über dem Durchschnitt lagen, wenn objektiv Überschuldung eingetreten ist. Dann sichert man eben nur den anständigen Gläubiger und bestraft die Spekulanten. Verlieren tut dann niemand etwas, weil man das Übliche ja bekommt.

  • Man lässt eine maßvolle Inflation des Euro wieder zu, der die Schulden allmählich entwertet. Das war früher die Rettung für Überschuldete wurde aber mit dem Euro unmöglich.


ID: 45506
Author(s): UR
Publication date: 24/04/10
   
 

Created: 24/04/10. Last changed: 26/04/10.
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