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Finanzdienstleister stürmen in die Schulen - BVI und Allianz als Lehrer

Böcke und Gärtner

Die Finanzkrise hat das Vertrauen nicht nur in Banken und andere Finanzdienstleister sondern auch in die Selbstheilungskräfte der Finanzmärkte in der Bevölkerung entscheidend erschüttert. Einige Finanzdienstleister haben daraus die Schlüsse gezogen, dass man durch Zuhören und Verständnis für soziale Fragen und Nöte Bereitschaft signalisiert sich zu verändern. Dadurch wird gezeigt, dass man aus der Krise lernen möchte: Dass nicht mehr die Menschen für das Geld sondern das Geld für die Menschen da ist.

Der Bundesverband Investment und Asset Mangement e.V. (BVI) sowie der Allianz-Konzern, die praktisch die grössten Finanzinvestoren vertreten, haben nun eine Offensive gestartet, um an den Schulen in Deutschland „ihr Wissen“ anzubieten. Gute Beziehungen zu einzelnen Kultusministerien helfen dabei durchaus.

Doch lässt sich dies verantworten? Die Wirtschaft wird auf die Jugend losgelassen und predigt in den Schulen neben ahnungslosen und in diesen Fragen kaum ausgebildeten Lehrern stehend, wie man die aktuelle Finanzkrise zu sehen hat? Wie dies aussehen wird zeigt der BVI.

Wie wir die Krise zu verstehen haben

In seiner Online-Ausgabe für Schülermaterialien zum Thema „Wie kann es zu einer Finanzkrise kommen?“ werden wir geschult.

„Seit 2008 bewegt die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise die Gemüter – und dies nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Ihren Ausgang nahm sie 2007 als Immobilienkrise in den USA. Schnell entwickelte sie sich jedoch zu einer weltweiten Wirtschaftskrise – mit negativen Auswirkungen auf die Konjunktur. Aber wie kommt es eigentlich zu einer Finanzkrise?“

Aber handelt es sich denn überhaupt um eine Krise der Finanzen oder könnte es sich nicht auch um eine Krise bei den Schuldnern handeln?

Wo bleiben die gebeutelten Schuldner?

Nicht nur Griechenland sondern auch die deutschen Städte und Gemeinden, der Bund, kleine und mittlere Unternehmen und nicht zuletzt die Verbraucher wurden durch die Krise mit nicht zu bewältigenden Schulden überhäuft. Warum ist es dann eine „Finanzkrise“, „Immobilienkrise“ oder „Wirtschaftskrise“, bei der die Probleme ihrer Eltern allenfalls deren Fernwirkungen sind?

Schließlich war man sich zu Beginn noch einig, dass die Auftürmung von Schulden aus Gebühren, Zinsen, Umschuldungsverlusten und Risikozuweisungen auf amerikanische Verbraucher die Subprime Krise auslöste. Hier ist sie jetzt zum objektiven Naturereignis geworden, dessen technische Details gelernt werden können. Weiter heißt es

„Was ist eine Finanzkrise?

Unter einer Finanzkrise versteht man ein Marktversagen, bei dem es zu einer erheblichen Verschlechterung der Finanzmarktbedingungen kommt. Es tritt ein Vertrauensverlust der Marktteilnehmer untereinander auf, der einen geordneten Ablauf wirtschaftlicher Vorgänge be- oder verhindert. Die Intensität solcher Finanzkrisen ist unterschiedlich: Sie reicht von einer regional begrenzten, eher kurzfristigen Krise bis hin zu einer langwierigen, weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise.“

Finanzmärkte als Biotope

Warum hat sich dann ab 1974 das Geldvolumen verzigfacht, bei der der fiktive Reichtum einiger weniger ins Unermessliche gestiegen ist und die Wertpapierkurse explodierten, wofür nur noch Schuldner gebraucht wurden, die solche Renditen erwirtschaften konnten? Finanzkrisen sind nicht nur objektiv und unbeeinflussbar sondern auch noch ewig.

„Finanzkrisen gibt es immer wieder

Wirtschaftkrisen sind keine Phänomene des 21. Jahrhunderts, vielmehr traten sie in der Geschichte immer wieder auf. Die bis heute schwerste Finanzkrise ereignete sich im Oktober 1929 und löste eine Weltwirtschaftskrise mit weitreichenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen aus. Ausgangspunkt war besonders in den USA die Vorstellung vom mühelosen Reichtum. Die Aktienkurse und damit der Aktienindex stiegen. Aufgrund der Euphorie und der Vorstellung, dass man an der Börse gar nicht verlieren kann, wurden Aktien zu völlig übertriebenen Preisen geordert. Diejenigen, die nicht genug eigenes Kapital besaßen, um an den Börsengeschäften teilzuhaben, nahmen Kredite auf. Es entstand eine so genannte Spekulationsblase. Als die Wirtschaft stagnierte, kam es Ende Oktober 1929 schließlich zu einer Verkaufspanik an der New Yorker Börse. Sie riss die anderen Börsen weltweit mit sich. Unternehmenspleiten, Zusammenbrüche von Banken, Massenarbeitslosigkeit, Armut und Hunger waren weltweit die Folgen.“

Die armen Reichen

Nach Darstellung des BVI sind die eigentlichen Leidtragenden nicht die leer gefegten Staatskassen, die Arbeitslosen, diejenigen, die ihre Häuser und Familienbetriebe verloren haben, nicht das Bildungssytem und die geschlossenen Schwimmbäder sondern diejenigen, die fiktiv aufgeblasene Geldpapiere auf wertlose Forderungen verloren. Die Krise hat also vor allem die Forbesliste der Milliardäre betroffen. Die ersten 10 von ihnen haben mehr Geld als die 30 ärmsten Volkswirtschaften der Welt zusammen. Und jetzt die Merksätze für die Schüler:

„Schon gewusst?

Die zentralen Merkmale einer Finanzkrise sind:

  1. erhebliche Vermögensverluste durch einen schnellen Preisverfall, beispielsweise bei Wertpapieren, Immobilien oder Rohstoffen
  2. Zahlungsunfähigkeit von Marktteilnehmern, zum Beispiel Unternehmen, Banken oder Staaten“

Sind Menschen, Macht und Bereicherungsdrang an dieser Krise überhaupt beteiligt oder sind es Schicksalsschläge und Psychologie?

„Die Ursachen von Finanzkrisen

Die Auslöser von Finanzkrisen sind unterschiedlich: Zum einen sind es konkrete Ereignisse. Beispielhaft dafür stehen die Terroranschläge am 11. September 2001 oder das Bekanntwerden des Zusammenbruchs der US-Bank Lehman Brothers im September 2008. Zum anderen ist es ein plötzlicher Stimmungsumschwung der Marktteilnehmer. Diese Auslöser sind jedoch nicht die eigentlichen Ursachen, denn diese sind sehr vielschichtig und beginnen meist schon lange Zeit vor dem Krisenausbruch.

Nicht selten treffen gleich mehrere Ursachen zusammen und beeinflussen einander.

1. Das Verhalten der Marktteilnehmer

Finanzgeschäfte werden sehr stark von Vertrauen und Psychologie getragen. Da bei allen Marktteilnehmern über die Zukunft die gleiche Unsicherheit besteht, versucht man sich anhand von unterschiedlichen Anhaltspunkten wie Kurs-Charts, Kennzahlen, Ratings (Bonitätseinstufungen) oder Expertenmeinungen Sicherheit zu verschaffen. Dabei kann es dazu kommen, dass sich einzelne Marktteilnehmer am Verhalten anderer Marktteilnehmer orientieren und ähnliche Entscheidungen treffen. Durch dieses gleichgerichtete Verhalten kann es zu schnellen Aufwärtsbewegungen, aber umgekehrt auch zu plötzlichen Panikreaktionen kommen.

Darüber hinaus ist das Streben nach hohen Renditen, mehr Geld und Reichtum ein Einflussfaktor. Geht der Blick für die Risiken verloren, die grundsätzlich mit jedem Geldgeschäft verbunden sind, baut sich eine Euphorie auf. Typisch dafür, ist der Glaube an stetig steigende und andauernde Kursgewinne und den damit verbundenen Wohlstand.

2. Externe Marktfaktoren

Finanzkrisen können auch durch externe Faktoren und Marktgegebenheiten begünstigt oder sogar hervorgerufen werden. So stellt man häufig nach einer Krise fest, dass die bestehenden Regelungen zur Banken- und Börsenaufsicht, zu Kapitalmarktgeschäften, zu internationalen Finanztransaktionen oder zum Anlegerschutz fehlten oder zu lasch gewesen sind. Typisches Beispiel dafür ist der Börsencrash 1929: Eine Bankenaufsicht, also eine einheitliche staatliche Überwachung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen, oder Beschränkungen für Kredite zur Aktieninvestition fehlten zu dieser Zeit völlig. Sie wurden erst als Reaktion auf den „Schwarzen Freitag“ eingerichtet.“

Der Staat ist Schuld – die Finanzindustrie der Leidtragende

Am Schluss dann noch das Märchen von der Schuld des Staates. Die Zentralbanken sind nämlich Schuld. Sie haben das Geld zu billig gemacht.

Die Erkenntnis, dass das Zentralbankgeld allenfalls noch symbolische Bedeutung für die Aufblähung des Geldvermögens hat, kann man Schülern nicht zumuten. Sie sollen glauben, dass auf jedem Bankkonto 100 Euroscheine und 1 € Münzen liegen. Zentralbanken fühlen den Puls der Wirtschaft und handeln so, wie sie müssen. Es bleibt ein kleiner Einfluss aber die Krise erklärt das nicht.

„Welchen Einfluss hat die Notenbank?

Das Verhalten der Notenbanken vor und während einer Krise ist ebenfalls von Bedeutung. Sie bestimmen mit ihrer Zinspolitik nicht nur die Liquiditätsversorgung des gesamten Bankensystems, sondern steuern indirekt auch das Investitions- und Sparverhalten in einer Volkswirtschaft. Ist die Geldpolitik der Notenbank zu expansiv, fließt aufgrund niedriger Zinsen zu viel „billiges“ Geld in das Finanzsystem. Ist sie dagegen zu restriktiv, entsteht bei zu hohen Zinsen eine Liquiditätsknappheit. Mit dem richtigen Einsatz ihrer geldpolitischen Maßnahmen können Notenbanken zwar keine Krise verhindern, aber maßgeblich zur Abschwächung und Begrenzung einer Finanzkrise beitragen.“

Die Rolle der Finanzdienstleister in der finanziellen Allgemeinbildung

Über die Krise gibt es viele Meinungen. Wir haben z.B. unsere Meinung in dem Buch „Die Geldgesellschaft - Aus der Krise lernen“ vor allem für Multiplikatoren und Lehrer aufbereitet. Das ist aber nicht das Material, mit dem das iff in vielen Schulen die Projekte zu SchülerBanking versorgt. Der pädagogische Anspruch gebietet es, den Schülern Fakten und wenn überhaupt eine Vielfalt von Meinungen zu geben. Am besten ist es, die Schüler können sich selber eine Meinung bilden. Für so etwas sind Anbieter nicht geeignet, die ja nicht Wissenschaft oder Pädagogik sondern Finanzdienstleistungen verkaufen.

In den Schulen sollten die Lehrer und nicht die Banker, Investmentstrategen oder Versicherungsvertreter unterrichten. Sie werden immer auch ein Marketinginteresse ihres Arbeitgebers zu berücksichtigen haben. Außerdem sind sie hierfür nicht qualifiziert. Die ausgebildeten Lehrer sind als Beamte verpflichtet, das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Deshalb müssen Lehrer vor allem mit den Schülern lernen, die Welt der Wirtschaft eigenständig, kritisch und konkret zu erforschen. Das geht nur wenn Schüler lernen, sich die Informationen durch fragendes Lernen selbst zu erarbeiten.

Im Ergebnis heißt das: die Wirtschaft bleibt vor den Schultoren aber deshalb nicht teilnahmslos. Die Schüler lernen, wie man die wirtschaftlichen Zusammenhänge erforscht und zwar zusammen mit ihren Lehrern in der Schule. Damit das Gelernte auch stimmt und sie es anwenden können, gehen die Schüler mit ihren Fragen in die Praxis der Anbieter - zu verschiedenen Banken, Fonds oder Versicherungen aber auch zur Schuldnerberatung und zum Verbraucherverband.

So ein Lernen nützt dann allen. Auch den guten Anbietern, die kompetente und kritische Verbraucher haben, die die Spreu vom Weizen trennen können. Es nützt den Gläubigern, weil Schüler lernen, dass schlechte Schulden Geld kostet und Krisen auslöst.

Die Anbieter tun gut daran, wenn sie dies finanziell fördern und dem Verdacht der Kunden- und Imagewerbung aufrecht entgegentreten. Statt eines Sturms der Finanzdienstleister in die Schulen brauchen wir eine zuhörende Wirtschaft, die die langfristigen Interessen unserer Bildung respektiert.



ID: 45324
Author(s): UR
Publication date: 31/03/10
   
 

Created: 01/04/10. Last changed: 07/04/10.
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