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Finanzkrise und Staatsmilliarden - Wo bleibt der Systemwechsel?

Privatisierung des Staates - Wann werden strukturelle Konsequenzen im Bankrecht gezogen?

Inzwischen schätzen wir, dass allein für die Hypo Real Estate mehr als 100 Mrd. € an Garantien ausgeworfen werden, die den Staat, schätzt man die übliche Quote von 30% des Wertes bei Kreditverkäufen ein, uns auf Dauer gut 30 Mrd. € Steuergelder kosten können. Mit dem Notstandsgesetz zur Verstaatlichung der HRE, einem fragwürdigen befristeten Maßnahmegesetz, das sofort danach wieder außer Kraft treten soll, wird nun der Eindruck der Verstaatlichung erweckt, so wie Citibank in den USA und Northern Rock bzw. Royal Bank of Scotland in Großbritannien. Doch hier wie dort täuscht der Sprachgebrauch. Die HRE soll nicht öffentliche Aufgaben übernehmen sondern der Staat soll die privaten Schulden schultern. Die HRE hat nur ein Ziel, ihre kapitalistische Handlungsfähigkeit im privaten Markt wiederzugewinnen. So etwas hatten Art. 14 Abs.3 und Art. 15 Grundgesetz nicht im Sinn, als sie die Enteignung "zum Wohle der Allgemeinheit" bzw. die Überführung von Produktionsmitteln in "Gemeineigentum" ermöglichten. Hier wird Staatsvermögen in Privatnützigkeit überführt, als der Subventions- und Sozialstaat des Art. 20 GG bemüht. Die Stille Beteiligung des Stabilisierungsfonds von 8 Mrd. € an der Commerzbank macht dies viel deutlicher. Der Staat gibt Geld und verzichtet auf Einflußnahme, weil er "still" sein will. So etwas ist keine Verstaatlichung sondern eine Privatisierung. Die Stimmen in der Presse, die meinen, Lenin habe sich in seinem staatsmonopolistischen Kapitalismus dies so nicht vorgestellt, irren wohl. Genau dies meinte diese Theorie, deren Wert gleichwohl in ihrer demokratiefeindlichen Konsequenz, die dem Staat keine eigene Stärke mehr zuordnet und ihn damit für die Diktatur des Proletariats aufarbeitet, als hoffentlich gering einzuschätzen ist.

Öffentliche Verantwortung der Wirtschaft?

Wollen wir im Rahmen der Verfassung bleiben und unsere Demokratie nicht an die Gewinnerzielungsabsichten der Privatwirtschaft verkaufen, so müssen wir mit der Privatisierung des Staates auch ein paar Staatsziele mit in die Wirtschaft übernehmen. Dazu gehört vor allem die Versorgung der Bevölkerung und vor allem der Verbraucher und der produktiven Wirtschaft mit angemessenen Krediten und Dienstleistungen für die Altersvorsorge und die Risikostreuung. Damit tut man der Wirtschaft keine Gewalt an, hat doch schon Ludwig Ehrhard gesagt, dass die soziale Marktwirtschaft genau dies als einziges Ziel hat, was der Finanzsektor, der die Mehrung des eigenen Geldes nicht uneigennützig fälschlich zur Wirtschaftsleistung erklärte, so schmählich mißachtet hat.

Bankgesetzgebung

Dieser Transport staatlicher Ziele in die Geldwirtschaft erfolgt durch das Bankrecht. Es ist in dem vergangenen Jahrzehnt durch einen ständigen Abbau gekennzeichnet gewesen. Man nannte dies "Finanzmarktförderung" und numerierte danach die Gesetze durch. So wurden in der Gesetzgebung die Mindestbeträge für geschlossene Immobilienfonds drastisch herabgesetzt und damit der Betrug gefördert. In die Investmentfonds durften Wetten und Luftnummern eingestellt werden, selbst wenn sie der Altersvorsorge dienten. So Hedgefonds wurden zugelassen, die ihr Geld kaum noch anlegten sondern weggaben und durch Kreditaufnahme das Risiko so aufbliesen, das jeder eingezahlte Euro drei Mal verloren gehen konnte. Man öffnete den Markt auch für Zertifikate, d.h. abgelaufene Lottoscheine, weil dafür ein Bedürfnis bestand. Die Grundregeln des bürgerlischen Gesetzbuches, wonach Spiel- und Wettschulden uneinklagbar sind, wurden für den wichtigsten Anwendungsfall, die Finanzmärkte, außer Kraft gesetzt. Im Detail schaffte man das Verbot des Verkaufs von Krediten an der Haustür ab und öffnete damit den Betrügern Tür und Tor. Mit dem Lob der privaten Altersvorsorge, ohne den Begriff zu schützen, förderte der Staat Gebilde wie die Göttinger Gruppe, die das Geld in sich selber investierte und damit ihre insolventes Schneeballsystem vertuschte, mit tatkräftiger Hilfe hochrangiger Politiker sowie gut bezahlter Bankrechtler.

Im Kreditrecht entfiel der Wucher, weil man es den Banken erlaubte, ihre Wucherzinsen in Provisionen zu verstecken. Zuletzt wurde auch noch die letzte Barriere für Umschuldungsgauner im Rechtsberatungsgesetz weggenommen. Man legalisierte mit einem Federstrich im Gesetz 6fach überhöhte Vorfälligkeitsentschädigungen und schuf damit ein neues Gewerbe: die Umschuldungsindustrie. Damit diejenigen, die die faulen Kredite vergeben hatten, nicht die Folgen zu tragen hatten, legalisierte man die Kreditverkäufe auch gegen den Willen der Verbraucher. Auch dieser BGB-Grundsatz sollte nicht mehr gelten. Aus der Pflicht, die Verbraucher auf risikohafte Produkte durch umfassende Beratung hinzuweisen ("Termingeschäftsfähigkeit") machte man eine Broschürenpflicht, aus der Beratung einen Wust von Papier und Internetinformationen.

Bei den Preisen wurde alles erlaubt, versteckte Provisionen über 50%, floatende Preise "von bis" in der Werbung, Blindabschlüsse ohne Preise u.s.w.

Umkehr?

Ist hier eine Umkehr in Sicht? Keineswegs. Im Bundestag werden zur Zeit reihenweise die Gesetze verabschiedet, die im Jahre 2005 entwickelt wurden. So werden die Kreditkartenkredite, die verheerende Überschuldungsmaschine in den USA und England ab nächstem Jahr bei uns im ZAG von der Bankaufsicht und von dem Erfordernis der Bankkonzession befreit. Im Pfandbriefgesetz werden die Vorschriften, worin investiert werden darf, weiter liberalisiert, so dass in Zukunft mehr Risiken eingestellt werden können und neben Grundstücken auch die Schiffe einbezogen werden. Wie ein Witz klingt es im Gesetzestext, das man dabei nur das Rating einer "anerkannten Ratingagentur" einholen muss. Bei der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie wird ein vollkommen irreführender Effektivzins, der kaum 50% der Kosten enthält, festgeschrieben. Ferner werden sog. "Überschreitungszinsen" anerkannt, die inzwischen das Girokonto wie bei der Commerzbank mit 20,2% zum Wucherkonto gemacht haben. Weiter werden alle kleineren Kredite befreit, deren Zusammenballung in Ketten und paralleler Verschuldung die privaten Haushalte zum Entgleisen bringen. Die Praxis, statt Tilgung der Kredite Anlageprodukte aufzuzwingen, wird anerkannt. Die Belastungen aus dem Kredit erfährt man nur nach Antrag. Der gesamte Internetkredit auf Mausclick wird freigegeben. Kredite ohne Kreditwürdigkeitsprüfung bei der Kreditvergabe werden über den Trick der Rahmenkredite bei Kreditkarten, Girokonto und Variokrediten freigegeben.

Mit den 110% Finanzierungen im Hypothekenkredit will man sich schon gar nicht auseinandersetzen.

Zypries und Steinbrück müssen gehen

Aus diesen Ministerien kam der Kahschlag im Verbraucherschutz und in der Bankenderegulierung. Man hatte dabei nicht den Eindruck, das viel Sachverstand am Werk war. Das besorgten die Bankenverbände selber, deren Vertreter ja sogar Zimmer in den Ministerien hatten. Sie haben mit Sprüchen die Öffentlichkeit im Unklaren gelassen. Dass der Finanzminister von der Schieflage der HRE erst aus der Zeitung erfuhr, ist nicht untypisch. Die Justizministerin lobt ununterbrochen den Abbau der Verbraucherrechte als besonders intelligenten Verbraucherschutz. Der neue Effektivzins sei ein Geschenk an die Verbraucher - ein doppelte Unwahrheit, weil er nicht neu und nichts für die Verbraucher ist. Sie hatte eine Allianz mit dem Englischen Department of Trade and Industry geschlossen zur Deregulierung in Brüssel, das seine Früchte trug.

Inzwischen werden im Justizministerium immer neue Peanuts erfungen, die von den Problemen ablenken: Dokumentationspflichten in der Bankberatung statt Produktqualität, Informationen über Kreditverkäufe an die geprellten Kunden usw.

Das Problem dieser Minister ist nicht einmal, dass sie viele grobe Fehler machen sondern dass man gar nicht weiß, was sie eigentlich wollen, außer, dass alles was so gemacht wird, auch in der Öffentlichkeit akzeptiert wird. Aufklärung oder Prinzipien sind nicht erkennbar. Dass dann ein Gremium aus beschenkten Bankern das Gesetz über die Geschenke macht fällt kaum noch auf.
Wir brauchen Politiktzer an der Spitze der Regierung und nicht Pressesprecher.

Bankrechtskartell, HRE und Helmut Bruchner

Ein wesentlicher Teil der Deregulierung wurde von den finanziell von den Banken abhängigen Bankrechtlern vorbereitet, legitimiert und erdacht. Die Anhäufung fauler Kredite bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, die dann nach der Fusion auf die HypoVereinsbank übergingen und von dort auf die als Bad Bank konzipierte HRE ausgelagert, wiederum bei Lonestar zwischengelagert und jetzt letztlich beim Steuerzahler landen, war nur möglich, weil die Rechtsprechung hier vollständig versagte. Es wurde alles aber auch alles legitimiert, was an Wucher, Betrug und falscher Ansage und falschen Versprechungen in diesen Luftgeschäften etwa bei den Schrottimmobilien, den Subventionsabschöpfenden Immobilienkrediten in den Neuen Bundesländern oder im Mittelstand abgesetzt wurde. Was sie im Detail mit dem Verbraucher begannen, setzten sie im großen Stil fort, als sie die Depfa und damit die Kommunalfinanzierung übernahmen.

Alles dies ist verknüpft mit dem Namen Bruchner. Er war und ist die graue Eminenz des deutschen Bankrechts, Cheflobbyist im Rechtsausschuss des Hypothekenverbandes. Er war Syndikus der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, stellvertretender Syndikus der HypoVereinsbank und Chefsyndikus der HypoRealEstate. Er hat es verstanden, durch persönliche Kontakte bis in die Verbraucherzentrale Düsseldorf, den Bundesgerichtshof und vor allem die Bankrechtswissenschaft ein Netzwerk aufzubauen, an dem keiner vorbei kam. In der bankrechtlichen Vereinigung ebenso wie im Hypothekenverband oder im "Zentralkomitee" aller Bankenverbände, dem "Zentralen Kreditausschuss" (ZKA) ebenso wie in dem deutlich von ihm geprägten Bankrechtshandbuch, wo er die zentrale Materie kommentiert und für das oberste Bundesrichter in Bankrechtsfragen ihren Namen geben, sowie in Kommentaren zum Kreditrecht sowie Schriften zu den zentralen Rechtsfragen hat er die Argumentationen geprägt. Er sitzt im Herausgeberkreis von Bankrechtszeitungen und bestimmt die hochdotierten Seminare. Im Bundestag sah der Cheflobbyist bei den Expertenanhörungen im Hintergrund, wo er für Einheitlichkeit sorgte.

Eine irgendwie erkennbare Bankrechtstheorie hat er nicht. Recht ist für ihn das, was seine Banken jeweils gerade gemacht haben. Das schafft Klarheit und Selbstsicherheit und dürfte eines der wesentlichen Gründe dafür sein, warum die HRE heute so dasteht.

Die Zeit (v. 9.4.2003) schrieb schon 2003: "Und an Helmut Bruchner kommt ohnehin niemand mehr vorbei, der sich juristisch mit dem Immobilienskandal beschäftigt. Bruchner aber ist stellvertretender Chefsyndikus der HypoVereinsbank. Er bearbeitet unter anderem das Bankrechts-Handbuch - ein Werk, das nicht nur bei Jurastudenten als "Bibel des Bankrechts" gilt. Bruchner ist Mitherausgeber einer Fachzeitschrift und kommentiert in einem Standardwerk zum Verbraucherkreditrecht genau die Gesetze, die für den brisanten BGH-Fall jetzt entscheidend sind. In solche Bücher schauen Richter, bevor sie ihre Urteile fällen. Kontakt hat Bruchner auch zu Richtern vom Bankensenat des Bundesgerichtshofs. Anfang Mai vergangenen Jahres traten Bruchner und Joachim Siol, der stellvertretende Vorsitzende des Bankensenats, bei einem zweitägigen Seminar in Potsdam-Hermannwerder als Redner auf. Bruchner referierte ausführlich über das schwebende Verfahren - und wie der BGH es denn zu lösen hätte. Seine wenig überraschende Analyse: Die Banken müssen gewinnen."

Transparenz im Bankrecht

Es ist höchste Zeit, dass die Richter, die mit Bankrechtsfragen befasst sind, ihre hochdotierten Auftritte bei den Banken unterlassen und ihre vielen Posten in Zeitschriften und Büchern aufgeben bzw. finanziell genau aufdecken, welche Honorare hier direkt und indirekt erhalten werden. Dazu gehört auch die Übernahme anderer Hilfen nicht nur für Richter sondern auch für Professoren in öffentlichen Ämtern. Bei Anwälten ist zu erwarten, dass sie ihre Mandantenverhältnisse in der Fußnote zur Veröffentlichung klären.

Es muss endlich eine Alternative zur bankrechtlichen Vereinigung geben. Es reicht nicht, dass sie bei jeder Tagung einen unabhängigen Referenten zu Wort kommen lassen. Es geht um Programmgestaltung, Zusammensetzung des Präsidiums und Kosten.


ID: 42444
Author(s): UR
Publication date: 20/02/09
   
 

Created: 20/02/09. Last changed: 23/02/09.
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