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20 Mrd Euro wegen Falschberatung der Banken? Patentlösungen für die Bankenkrise aus dem Verbraucherministerium zeigen Kompetenzmangel in der Diskussion zur Bankenkrise.

Verbraucherschutz - eine Spielwiese der Politik

Das Verbraucherministerium ist mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit getreten, die durchaus vertraute Kritik aus den letzten 20 Jahren als Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung darstellt. "Viel zu oft wird das Vertrauen von Anlegern in den Rat von Finanzvermittlern enttäuscht, zum Beispiel dann, wenn unter dem Deckmantel von Kompetenz und Seriosität ungeeignete Investments als sichere Anlage für die Altersvorsorge verkauft werden", sagte Bundesverbraucherministerin Aigner. "Das ist nicht hinnehmbar. Die Interessen der Verbraucher sollten im Vordergrund stehen und nicht das Erreichen geschäftsinterner Vertriebsziele von Banken oder anderen provisionsorientierten Finanzdienstleistern."

Außerdem wird noch eine Zahl von 20 Mrd. € kolportiert, die sich aus der Studie ergäbe. Damit die Presse auch den Hunger nach aktueller Krisenbegleitung befriedigen kann, geht die Ministerin noch einen Schritt weiter wenn es heißt: "Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner kritisiert die teilweise fehlerhafte Beratung von Verbrauchern beim Kauf von Finanzprodukten. Die aktuelle Finanzmarktkrise habe diese Defizite erneut offenbart."

Das lenkt wohltuend von der Kritik der Liberalisierung des Kapitalmarktes der letzten 15 Jahre und dem Politikversagen ab. Jetzt kann man eine längere Verjährung für Beratungsverschulden verlangen, die ja gerade erst im Jahre 2002 von 30 auf 3 Jahre verkürzt wurde. Haftung für Falschberatung der Verbraucher als Weg aus der Bankenkrise. Das Ganze lässt sich wie immer mit Beispielen ebenso garnieren wie man auch Beispiele für dumme Verbraucher bringen könnte.

So viel kann als gesichert gelten. Die Beratungsqualität bei Finanzdienstleistungen lässt zu wünschen übrig. Das hat aber mit der Bankenkrise nichts zu tun. Bear Sterns oder die Kauphing Bank gehörten nicht zu den Risikokandidaten und die Bundesregierung selber hat bisher alles getan, um Fonds und Finanzprodukte der Sicherheitskontrolle zu entziehen. Die Formel hieß "Finanzplatz Deutschland" und das Mittel hieß "Finanzmarktförderungsgesetze 1, 2, 3 etc."

Worüber geht die Studie?

Nur, haben die Ministerin und ihre Beamten die Studie auch wirklich gelesen und gibt es Presseorgane, die so etwas noch für wichtig halten? Die Studie hat die Banken, die 90% der Anlagen verkaufen, gar nicht untersucht, sondern sich auf die Finanzvertriebe konzentriert, die ja vor allem Versicherungen und weniger Investments verkaufen. Entsprechend ist die Zahl 20 Mrd. € dann auch für den Versicherungsbereich nur aus einer Pressemitteilung der Universität Witten/Herdecke vom 18.11.2005 zitiert. Die Studie selber kommt sogar zu einem Verlustbetrag von 160 Mrd. € , wenn sie pro Haushalt 400 € Einsparpotenzial bei korrekter Beratung suggeriert.

Die Studie ist ausdrücklich keine empirische Studie. Sie beruft sich auf eine Reihe von "Experteninterviews", die wohl unstandardisiert und ohne Protokoll erfolgten. Beratungstests wurden nicht ausgewertet. Die Basis sind vor allem Pressemeldungen.

Zur Frage der Vermögensschäden durch Beratungsverschulden heißt es dann auch in der Studie:

"Die Vermögensschäden aufgrund mängelbehafteter Finanzberatung werden auf jährlich 20-30 Mrd. Euro geschätzt. Allein für ihren Versicherungsschutz geben die deutschen Verbraucher geschätzt 20 Mrd. Euro zu viel aus und versichern dennoch tendenziell das Falsche. Jeder private Haushalt könnte durchschnittlich 400 Euro pro Jahr sparen, wenn er sich auf die existenziellen Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit konzentrierte und jeweils die leistungsstärksten Versicherer wählte. In der Praxis werden jedoch eher Kleinrisiken mit höherer Wahrscheinlichkeit abgesichert, offenbar weil sie als greifbarer erscheinen, und die Anbieterauswahl wird selten optimiert. Die absolute Höhe solcher Vermögensschäden ist für die vorliegende Arbeit weniger relevant als ihre Struktur und die Folgen."

Was hat das mit der Finanzkrise zu tun?

Die aktuelle Finanzkrise ist ebensowenig eine Folge falscher Finanzvermittlung, sondern hat etwas mit schlechten Produkten zu tun, die erst seid kurzem zugelassen sind. Eine gute Beratung bei schlechten Produkten ist so wirksam wie finanzielle Allgemeinbildung für Überschuldete, die umschulden müssen, oder Kinderberatung bei McDonalds über gute Ernährung, um nur zwei weitere Themen aus dem Verbraucherministerium zu nennen.

Die Krise begann mit Wucherkrediten und endete mit betrügerischen Anlageprodukten, auf die selbst hochqualifizierte deutsche Banker herein fielen.

Wenn schon Information bei schlechten Produkten dann sollte die Regierung das tun, was sie selber bewirken kann, nämlich die Information der Produkte und ihre Label gesetzlich klären. So fordert das iff seid langem, dass "wo Altersvorsorge drauf steht, auch Altersvorsorge darin sein muss." Die Riester-Kriterien (Nominalwertgarantie, gestreckte Zillmerung, Transparenz und Wechsel) könnten leicht verallgemeinert werden. Das hat die Regierung bisher aber abgelehnt.

Beim effektiven Jahreszinssatz im Konsumkredit lehnt sie zur Zeit auch ab, einen Zinssatz auszuweisen, der alle Kosten, die den Verbraucher belasten, enthalten würde. Die über die Versicherer umgeleiteten Provisionen bleiben unberücksichtigt. Das Verbraucherministerium hält zudem seit Jahren eine Studie des iff unter Verschluss, in der alle Informationspflichten bei Finanzdienstleistungen aus über 30 Gesetzen zusammengestellt, ihre Widersprüche und Überschneidungen aufgezeigt und ein sinnvolles Mantelgesetz mit weniger als 20 Grundsätzen zur Information der Verbraucher entworfen wurde. Das war und ist ihm zu problematisch, weil es doch eigene Handlungsmöglichkeiten und auch Evaluationskriterium für die Gesetzgebungstätigkeit des Bundes bereitstellen würde.

Was die Bundesministerin hier verbreitet ist somit nicht Ergebnis einer empirischen Erhebung sondern eine zwar interessante aber doch auf einen aktuell eher peripheren Bereich bezogene Darstellung von Meinungen und Einschätzungen zu Problemen, die mit der Krise nichts zu tun haben. Die Bear Sterns Zertifikate wurden von Banken verkauft und nicht von Finanzvertrieben. Der Steuerzahler hat nicht geprellten Verbrauchern sondern geprellten Banken helfen müssen und die Riesterrenten werden gekündigt, weil die Menschen sie nicht mehr bezahlen können und nicht wegen Falschberatung.

Die Ministerin will nun "die betroffenen Kreise ausdrücklich ermuntern, sich an der Diskussion über die Ergebnisse der Studie und die erforderlichen Konsequenzen zu beteiligen. Das Bundesverbraucherministerium bereitet hierzu eine entsprechende Veranstaltung vor, die im März 2009 in Berlin geplant ist. Wir werden dies rechtzeitig bekannt geben und hierzu einladen." heißt es in der Presseverlautbarung.

Man darf diese Tagung mit Interesse erwarten. Vorher allerdings findet im Bundestag ein Hearing zum Verbraucherschutz und der Finanzmarktkrise statt. Bis dahin dürften sich auch noch Finanz- , Wirtschafts- und Justizministerium äußern.

Vielleicht empfinden die Banken diese Steilvorlage des Verbraucherministeriums zur Selbstverteidigung in der Kreditkrise positiv, weil sie nur die Studie zu ihrer Entlastung anführen müssen und alles auf die mit den politischen Parteien verbundenen Finanzvertriebe wie DVAG (der ja auch als CDU-Vertrieb bekannt ist) und AWD (dem man das Etikett SPD-Vertrieb nicht zu Unrecht angeheftet hat) schieben können.

Das was wirklich zu ändern wäre, wird in dieser Diskussion zu wenig betroffen. Die Studie selber trifft daran keine Schuld - nur ihr Missbrauch durch die Politik.


ID: 42195
Author(s): UR
Publication date: 23/12/08
   
 

Created: 23/12/08. Last changed: 23/12/08.
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