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Microlending zu Wucherzinsen - Eine Wohltat für die Armen? Ein Artikel im deutschen Handelsblatt
Frankreich hatte mit seiner Sondergesetzgebung für Microlending den Anfang gemacht. Ansonsten ein die Kredite zur Vermeidung der Überschuldung streng reglementierendes Land wurde in Frankreich auf Betreiben der sozial orientierten Microlender die Wuchergrenze für solche Existenzgründer entscheidend erhöht. Vorher hatte man bereits eine Ausnahme vom Bankmonopol für diesen Typ sozialer Kredite ins Bankgesetz geschrieben.

Brauchen Mikrokredite mehr Freiheit, dürfen sie teurer sein und kann, wie auch die neue EU-Richtlinie zum Konsumkredit verbindlich machen wird, man mit weniger Verbraucherschutz und Kreditaufsicht sozial mehr erreichen?

Die Meinung dürfte hier gespalten sein. In Deutschland werden Existenzgründerkredite sogar generell in den Verbraucherschutz einbezogen. Verbraucherverbände befürchten, dass mit dem "gut gemeint" des Microlending zunächst der soziale Schutz ausgehöhlt wird, weil "gute Banken" für die nun mal die Granmeen Bank steht, nicht geregelt werden brauchen.

Einige Banken wie insbesondere die französische Cetelem, die in Deutschland mit der Dresdner Bank zusammenarbeitet, glauben ganz generell, dass Kredit für Arme auf jeden Fall ein Wohltat wäre, so dass sie insgesamt für ihr Geschäft mehr Freiheit verlangen. In England sind im Microlending inzwischen 30% p.A. keine Seltenheit mehr.

Auf dem Workshop in Brüssel werden wir die verschiedenen Positionen diskutieren. Hier der Artikel aus dem Handelsblatt vom 20. August 2007

"WIE MAN MIT WUCHERZINSEN GUTES TUN KANN"Von Norbert Häring

Für Kleinkredite an Gewerbetreibende haben Muhammad Yunus und die Grameen Bank den Friedensnobelpreis erhalten. Denjenigen Kredite zu geben, die bisher keine bekamen, damit sie sich eine wirtschaftliche Existenz aufbauen können, hat sich als eine der wirksamsten Formen von Entwicklungshilfe etabliert. Dem tut keinen Abbruch, dass man damit auch Geld verdienen kann.

FRANKFURT. Was für gewerbliche Kredite gilt, muss aber noch lange nicht für Konsumentenkredite an Haushalte gelten, welche nach traditionellen Maßstäben nicht kreditwürdig sind. Solche Kredite stehen im Ruf, unproduktivem Konsum Vorschub zu leisten – oder schlimmer noch, dass mit Wucherzinsen Unerfahrenheit und Kurzsichtigkeit der Menschen ausgenutzt wird.

Zwei amerikanische Ökonomen haben in einem großen Feldexperiment untersucht, ob das Vorurteil gegen Privatkredite gerechtfertigt ist. Dean Karlan von der Yale-Universität und Jonathan Zinman vom Darthmouth College brachten einen großen südafrikanischen Anbieter von Mikrokrediten dazu, nach dem Zufallsprinzip manche Kreditanträge zu genehmigen, die er ansonsten abgelehnt hätte. Durch diesen genialen Kniff konnten sie ein Problem umschiffen, das es normalerweise sehr schwer macht, in solchen Fragen zu validen Ergebnissen zu kommen: Man kann nicht in seriöser Weise Leute, die einen Kredit nehmen, mit solchen vergleichen, die keinen nehmen. Denn die beiden Gruppen unterscheiden sich fast per definitionem. Entweder ihr Kreditbedarf oder ihre Kreditfähigkeit unterscheidet sich.

So wie die beiden Forscher das Experiment aufzogen, konnten sie Kreditinteressenten vergleichen, die wirklich vergleichbar waren. Sowohl die Begünstigten als auch die Kontrollgruppe wollten einen Kleinkredit, und beide Gruppen hatten eine etwas zu schlechte Kreditwürdigkeit.

Die Sachbearbeiter, die die Kreditanträge mit Ja oder Nein beschieden, bekamen nämlich bei rund der Hälfte derjenigen Anträge, welche die Voraussetzungen knapp nicht erfüllten, von der Zentrale die Aufforderung, die Ablehnung noch einmal zu überprüfen. In vielen Fällen gewährten sie den Kredit dann doch. So konnten Karlan und Zinman die Wirkung der Kreditentscheidung auf die Kreditnehmer im Vergleich mit einer Kontrollgruppe der Abgelehnten untersuchen.

Die Kredite hatten eine Laufzeit von vier Monaten und einen effektiven Jahreszins von rund 200 Prozent. Bei den Kunden handelte es sich um Erstkunden mit einer Arbeitsstelle, aber geringem Verdienst. Dass Kredite mit so hohen Zinssätzen legal sind, liegt daran, dass Südafrika Beschränkungen in dieser Richtung gelockert hat. Zuvor waren solche Kredite nur auf dem Graumarkt vergeben worden, zu noch höheren Zinsen.

Dem hohen Zins steht in diesem Kreditsegment eine Ausfallrate von rund 30 Prozent gegenüber. Wer seinen Kredit als Erstkunde anstandslos bedient, bekommt beim nächsten Mal bessere Konditionen. Das Geldinstitut machte das ungewöhnliche Experiment mit, weil die Führung den Verdacht hatte, dass die Sachbearbeiter bei der Kreditgewährung zu vorsichtig waren und mehr Ablehnungen aussprachen, als für die Bank optimal war. Der Verdacht bestätigte sich. Nach Ablauf der Kreditlaufzeit zeigte sich, dass die zusätzlichen Kredite, die normalerweise nicht vergeben worden wären, für das Institut rentabel gewesen waren.

Bleibt die Frage, ob das auf Kosten der Kreditnehmer ging, also ob diese sich besser- oder schlechterstellten. Wenn es Haushalte, die einen Kredit zu so hohen Zinsen bekommen haben, hinterher besser- oder zumindest nicht schlechterginge, so wäre das ein kräftiges Argument für einen verbesserten Zugang zu Konsumentenkrediten. Um diese Frage zu beantworten, engagierten die Forscher ein Umfrageinstitut. Ohne dass dieses den Hintergrund des Interesses kannte, machte es sechs bis zwölf Monate nach Kreditgewährung eine Umfrage bei den Kreditnehmern und der Kontrollgruppe. Die Laufzeit der Kredite war zu dieser Zeit schon abgelaufen.

Es stellte sich heraus, dass die Kreditnehmer das Geld keineswegs für Konsumorgien verschwendet hatten und danach der große Kater kam. Von den mit einem positiven Kreditbescheid bedachten Menschen hatten deutlich weniger ihren Job verloren. Sie erzielten ein höheres Einkommen, litten weniger häufig Hunger und schätzten ihre Lage und Aussichten deutlich positiver ein. Sie hatten eher als die Vergleichsgruppe ein Kreditrating und das Rating derer, die eines hatten, war zumindest nicht schlechter als das der abgelehnten Kontrollgruppe.

Dass die Hochzinskredite Haushalten mit niedriger Kreditwürdigkeit mehr schaden als nützen, lässt sich mit diesen Ergebnissen statistisch gesichert ausschließen, resümieren die Autoren. Eher scheint es so zu sein, dass fehlender Zugang zu Krediten für viele Haushalte ein ernstes Problem ist. Durch großzügigere Kreditgewährung kann diesem Problem abgeholfen werden, ähnlich wie bei gewerblichen Krediten. Die Ökonomen schließen daraus unter anderem, dass auch Mikrokredite für private Haushalte, die nicht auf gewerbliche Zwecke beschränkt sind, in Entwicklungs- und Schwellenländern großen Nutzen stiften können.

ID: 40128
Author(s): UR
Publication date: 03/09/07
   
URL(s):

Handelsblatt Microlending Artikel
 

Created: 03/09/07. Last changed: 03/09/07.
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